Schulen haben Angst vor Herbst

Mehr schulpflichtige Flüchtlinge erwartet. Schon jetzt stoßen Schulen an Grenzen.
SCHWARZACH. Fawad wippt auf seinem Stuhl hin und her. „Was ist das doppelte einer Zahl?“, fragt die Lehrerin in die Klasse. Drei Hände schnellen nach oben. Nicht Fawads. Sein Blick ist auf das Schulheft auf seinem Tisch fixiert. Während Klassenkameraden in der Mittelschule Mittelweiherburg gerade Mathe lernen, übt Fawad Deutsch. Der 15-jährige Asylwerber aus Afghanistan ist erst seit wenigen Wochen in Hard. Zusammen mit seiner 13-jährigen Schwester Maria besucht er die Mittelschule. Beide sind sogenannte „außerordentliche Schüler“, wie sie in nahezu jeder Pflichtschule des Landes zu finden sind. Die Schulen stoßen an ihre Grenzen – und fürchten sich vor dem Herbst.
„Außerordentliche Schüler“ sind jene, die im Moment dem Unterricht nicht folgen können. Sie werden vom Schulleiter bestimmt – für höchstens zwei Jahre. In dieser Zeit bekommen Schüler wie Fawad vom Land eine zusätzliche Wochenstunde für Deutschunterricht finanziert. Nicht gerade viel für jemanden, der noch nie eine Silbe Deutsch gesprochen hat. Die Schulen in Hard wissen sich zu helfen, wie Mittelweiherburg-Direktor Christian Höpperger schildert: „Wir haben uns mit der Mittelschule Markt zusammengeschlossen. Fawad, Maria und die drei Flüchtlinge der anderen Schule lernen gemeinsam und kommen so auf fünf Stunden.“ Zudem habe die Schule weitere sieben Wochenstunden geschaffen. Nur so könne die Lernlust aufrechterhalten werden. „Wenn sie nur in der Klasse sitzen und nichts verstehen, kippt die Stimmung schnell ins Gegenteil“, erklärt Höpperger. Und die Lust sei groß: „Man spürt das richtig, wenn die jungen Menschen zum ersten Mal in ihre neue Klasse gehen. Da sind große Emotionen dabei.“ Langsam werden die Ressourcen aber knapp.
Kurzfristigkeit als Problem
Zusätzlicher Unterricht bedingt zusätzliche Stunden: „Es gibt einen Personalmangel, wir haben zu wenig Lehrer“, stellt Bezirksschulinspektor Wolfgang Rothmund fest. Im Herbst könnte sich die Lage noch zuspitzen. Die Schulen befürchten, dass die Zahl der betroffenen Schüler im neuen Schuljahr ansteigt. Der Grund: Syrische Flüchtlinge sind überwiegend männlich und alleine. Bekommen sie Asyl gewährt, darf ihre Familie nachkommen. Für Martin Fellacher von der Caritas sind Prognosen schwierig: „Ich glaube nicht, dass sich die Anzahl in nächster Zeit ändern wird. Wenn, dann sehr kurzfristig.“ Eben jene Kurzfristigkeit ist es, die alle Beteiligten vor Probleme stellt.
Die Caritas weiß am Vortag meist noch nicht, wie viele Jugendliche unter den Neuankömmlingen sein werden. „Für die Schulen ist unklar, ob am nächsten Morgen ein Kind oder zehn Kinder vor der Türe stehen“, beschreibt Wolfgang Rothmund das Problem. Vor wenigen Wochen trafen sich die Schulleiter der Pflichtschulen zu einem Gespräch, bei dem diese Herausforderung thematisiert wurde. Lösungsvorschläge gibt’s zur Genüge: „Wir könnten mit Quereinsteigern arbeiten. Ideal wäre aber ein Lehrerpool, auf den wir kurzfristig zugreifen können“, erläutert Schuldirektor Höpperger. Und Rothmund fordert: „In den kommenden zwei Monaten muss es zu einer Lösung kommen.“ Deshalb habe sich ein Team aus Schulinspektoren, Lehrern und Direktoren gebildet, die an jener Lösung arbeiten. „Da muss auch die Politik mitspielen“, bekräftigt Rothmund.
Größte Angst eine andere
Fawad selbst bekommt von der Diskussion nichts mit. Er lernt fleißig und kann schon „ein bisschen“ Deutsch, erzählt er. Freunde habe er auch gefunden, von den Lehrern ist er ebenfalls begeistert. Laut Christian Höpperger gestalte sich die Aufnahme in die Klassengemeinschaft einfach: „Der Vorteil einer Mittelschule sind die ethnisch und sozial durchmischten Klassen. Das fördert die Toleranz, diese Kinder gehen ganz anders miteinander um.“ Seine schlimmste Befürchtung: „Dass die Kinder in die Klasse kommen und ihre Mitschüler plötzlich nicht mehr da
sind. Abgeschoben. Bei allen Ressourcenproblemen, davor haben wir am meisten Angst.“
Ideal wäre ein Lehrerpool, auf den wir zurückgreifen können.
Christian Höpperger