“Noch sind wir nicht da, wo wir sein wollen”

Vorarlberg / 21.04.2015 • 20:20 Uhr

Neue Mittelschule in Vorarlberg auf dem Prüfstand. Es gibt noch sehr viel zu tun.

Bregenz. Neue Pädagogik, individueller Unterricht, Teamteaching, moderne Standards der Evaluation und vieles mehr: Die Neue Mittelschule, die es in Vorarlberg zuerst als Modellversuch und nun als Regelschule seit sieben Jahren gibt, steht mehr denn je auf dem Prüfstand. „Ineffizient und zu teuer, offensichtlich weder pädagogisch noch sonst erfolgreich“, kritisierte Finanzminister Hans Jörg Schelling (61) die neue Schulform und stellte gleichzeitig Überlegungen an, diese aufzulösen. Allein in Vorarlberg betragen die Mehrkosten für die Neue Mittelschule (NMS) geschätzte 8,5 Millionen Euro.

Die Herausforderung

Wie erfolgreich oder erfolglos ist die Neue Mittelschule in Vorarlberg? Wie lassen sich Erfolg bzw. Misserfolg messen? Am ehesten können das jene Bildungsstätten beurteilen, in welche die Absolventen der Neuen Mittelschule gelangen. Von den Schülern dieses Schultyps wechseln 38 Prozent in eine weiterführende Schule, Tendenz steigend. Wie gut sie dann dort sind, ist höchst unterschiedlich.

So meint Michael Schelling (59), Direktor am BORG Lauterach, diplomatisch, dass „für die aus der Mittelschule kommenden Schüler die Umstellung auf unseren Schultyp in Bezug auf Lerngeschwindigkeit, Anforderungen und Prüfungsformate eine große Herausforderung darstellt“. Es gebe da schon gewisse Schwierigkeiten. „Wobei die mit sehr guten Zeugnissen auch gut mitkommen“, ergänzt der Schulleiter. In den Oberstufen­realgymnasien ist der Anteil von Schülern, die aus der Mittelschule kommen, deutlich höher als in den Oberstufen der AHS-Langformen.

Chancen gesucht

Am Gymnasiun Dornbirn-Schoren, wo es Langform und Oberstufentyp gibt, beurteilt Direktor Reinhard Sepp (51) die Situation ähnlich. Jene mit sehr guten Zeugnissen haben keine Probleme, bei jenen mit einer Punkteanzahl über 20 im Abschlusszeugnis (zehn sind das bestmögliche Ergebnis) wird es kritisch. Eine deutliche Verbesserung des Niveaus der Mittelschüler hat Sepp nicht beobachtet, „allerdings fehlen mir diesbezüglich auch unwiderlegbare Zahlen“. Nur dass mehr Mittelschüler in den Schoren kommen, sei Tatsache. „Es ist offensichtlich, dass Mittelschulabsolventen vemehrt ihre Chancen suchen“, meint Sepp. „Es hat sich vom Niveau der Mittelschulabsolventen nichts Gravierendes geändert“, stellt auch Hermann Begle (62), Direktor an der HAK in Lustenau, fest. Zum Negativen geändert hat sich aus Sicht des Schulleiters das Notensystem der Mittelschule. „Wir haben oft wenige Aufschlüsse über die Leistungsfähigkeit der neuen Schüler und bekommen erst nach einem Jahr ein klares Bild.“

Kein fertiger Schultyp

Ehrlich-kritisch beurteilt auch Christian Kompatscher (49), Bezirksschulinspektor und Mitentwickler der Neuen Mittelschule in Vorarlberg, den neuen Schultyp. „Ich verstehe die Kritik des Finanzministers, der aus seiner Sicht für die investierten Mittel Ergebnisse sehen will. Noch sind wir tatsächlich nicht da, wo wir sein wollen, obwohl die Entwicklungsphase natürlich Zeit erfordert. Aber wenn wir in fünf Jahren nicht weiter sind, muss man den Kritikern recht geben.“ Die NMS sei allerdings vor sieben Jahren als Schultyp nicht fertig dagestanden.

In Vorarlberg werden ab 2015/2016 auch die letzten drei Hauptschulen zu neuen Mittelschulen. Und zwar Lingenau, Egg und Bezau.

Offensichtlich ist, dass mehr Mittelschüler ihre Chancen suchen.

Reinhard Sepp

Neue Mittelschule

Zahlen zum Schuljahr 2014/2015

» Es gibt 52 Neue Mittelschulen in Vorarlberg

» Nur noch dieses Schuljahr gibt es drei Hauptschulen: Egg, Bezau, Lingenau

» Rund 8,5 Millionen Euro betragen die jährlichen Investitionen in die NMS in Vorarlberg

» Von den 2777 Abgängern der NMS gingen 945 in Schulen mit Maturaabschluss