Peter Bußjäger

Kommentar

Peter Bußjäger

Unter Aufsicht

Vorarlberg / 16.07.2015 • 21:29 Uhr

Das Land, das faktisch bankrott war, musste einen harten Sparkurs erdulden. Die Geldgeber verlangten für ihre Nothilfe, dass der Staat seine Verwaltung reformierte, was auch geschah. Er musste zum Beispiel sein Beamtenheer, das für einen Kleinstaat völlig unangemessen war, um ein Drittel reduzieren, und die Verwaltungsstrukturen vereinfachen. Bei dem Staat, von dem hier die Rede ist, handelt es sich nicht etwa um Griechenland, sondern um Österreich.

Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg hatte Österreich versucht, seine Schulden durch Gelddrucken zu begleichen. Das Vorhaben ging gründlich schief und endete in einer Hyperinflation. Danach musste das Land internationale Geldgeber um Unterstützung bitten. Der damalige Völkerbund, Vorläufer der UNO, gewährte 1922 das Geld jedoch nur gegen Sicherheiten und die Verpflichtung, eine Verwaltungsreform durchzuführen. Österreich wurde unter Kuratel gestellt und erhielt einen niederländischen Politiker als Aufpasser.

Das Verwaltungsverfahrensgesetz, das in diesem Zuge geschaffen wurde, sollte das modernste in Europa und zu einem Vorbild für Staaten wie Deutschland und die Schweiz werden. Die 1925 in Kraft getretene Verwaltungsreform ist bis heute die nachhaltigste Strukturreform in Österreich geblieben. Von den Früchten konnte das Land allerdings erst nach dem Zweiten Weltkrieg profitieren, da die Weltwirtschaftskrise 1929 alle Bemühungen vorerst zunichtemachte.

Viele kritisieren die harten Reformmaßnahmen, denen Griechenland heute von den europäischen Geldgebern unterworfen wird. Sie sind jedoch die einzige Chance, dass dieses von einer ineffizienten und tiefgreifend korrupten Verwaltung geschädigte Land wieder gesunden kann. Die Aufsicht, unter die das Land gestellt wird, ist notwendig, damit die Umsetzung der schmerzhaften Reformen sichergestellt wird. Jedem bankrotten Unternehmen in der Privatwirtschaft ergeht es noch viel schlimmer.

Man muss sich vom Gedanken verabschieden, dass Staaten, Länder und Gemeinden nicht in Konkurs gehen können. Nur dann, wenn die verantwortlichen Politiker erkennen, dass dem von ihnen regierten Land tatsächlich das Geld ausgehen kann, werden sie Reformen mit dem entsprechenden Nachdruck in die Wege leiten.

Österreich wurde unter Kuratel gestellt und erhielt einen niederländischen Politiker als Aufpasser.

peter.bussjaeger@vorarlbergernachrichten.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus
und Universitätsprofessor in Innsbruck.