Das Rumpeln der Ach erinnert an Horror-Nacht

Vorarlberg / 21.08.2015 • 19:41 Uhr
Das Rumpeln der Ach erinnert an Horror-Nacht

Ingrid und Stefan Winkel haben in Reuthe-Baien ein zweites Leben begonnen.

Reuthe. Wir sind schon längst vom Haus Baien 170 weg, als sich Ingrid Winkel (62) noch einmal telefonisch meldet. „Bitte schreib‘ noch, wie wir allen unseren Helfern für immer dankbar sind.“

Gerne.

Es ist die Nacht vom 22. auf den 23. August, der die Zeitenwende im Leben der Familie Winkel einleitet. Gnadenlos prasselte der Regen nieder, die Bregenzerach hält es nicht mehr in ihrem Flussbett. „Als sich vor dem Wohnzimmer ein kleiner See bildete, versuchten wir noch, mit Handtüchern das Wasser vor dem Eindringen ins Haus abzuhalten. Wie lächerlich das im Nachhinein doch war“, erinnert sich Hermann.

Es geht blitzschnell

Dann geht alles blitzschnell. Ein Anruf von der Wasserrettung: „Verlasst das Haus!“ Das Wasser fließt wie selbstverständlich durchs Gebäude. Innerhalb kürzester Zeit sind mit Ausnahme des obersten Stockes alle Zimmer überflutet.

Die Winkels werden gegen ein Uhr mit dem Boot abgeholt. „Wir ließen alles zurück. Im Schock kam mir nicht einmal in den Sinn, wenigstens die persönlichen Dokumente rasch aus dem Auto zu holen“, vergegenwärtigt sich Ingrid Winkel die Situation in der Schreckensnacht.

Winkels ziehen für einige Wochen zu Verwandte im Reuthener Ortsteil Hof, später mieten sie in Baien eine Wohnung, die vom Hochwasser verschont wurde. Erst Monate später beziehen sie wieder ihr frisch renoviertes Haus.

Keine Angst mehr

Wie lebt es sich heute an diesem Ort? „Gut“, sagt Hermann Winkel. „Seit ein neuer Abflussschlauch installiert ist, fühlen wir uns sicher.“ Natürlich verschwinden die Bilder jener Nacht nicht mehr. Und auch nicht die Geräusche. „Ab und zu, wenn’s heftig regnet, rumpeln die Steine in der Ach. Wenn ich diese Geräusche höre, dann kommt mir das Hochwasser in den Sinn. Aber Angst? Nein, Angst haben wir nicht“, erzählt Hermann Winkel mit Überzeugung.

Nachbar Josef Deuring (73) kommt vorbei. Ihm raubte das Hochwasser damals Werkstatt und Wohnhaus. „Ich hab’ dann aber alles wieder hergerichtet. Auch die Werkstatt – obwohl ich kurze Zeit später in Pension ging. Aber ich wollte das nicht mit einer zerstörten Werkstatt tun“, erzählt Deuring seine Geschichte.

Wegziehen aus Baien wollten beide Familien nicht.

Zerstörung in AuEin Werk der Zerstörung hinterließ die Bregenzerach im Gewerbegebiet von Au. Stark betroffen wurde das Autohaus Natter. Dort sorgten die Fluten für einen Totalschaden bei sämtlichen Fahrzeugen. Einige Autos wurden von der Ach sogar mitgerissen und strandeten erst mehrere Kilometer flussabwärts. Niemals vergisst Walter Natter den Horror der Flut-Nacht.

Zerstörung in Au
Ein Werk der Zerstörung hinterließ die Bregenzerach im Gewerbegebiet von Au. Stark betroffen wurde das Autohaus Natter. Dort sorgten die Fluten für einen Totalschaden bei sämtlichen Fahrzeugen. Einige Autos wurden von der Ach sogar mitgerissen und strandeten erst mehrere Kilometer flussabwärts. Niemals vergisst Walter Natter den Horror der Flut-Nacht.

Gefährliches TreibholzNicht nur das Hochwasser als solches bereitete den Einsatzkräften im Bregenzerwald große Probleme. Es kam immer wieder zu Verklausungen bei Brücken und anderen Engstellen. Angeschwemmtes Treibholz sorgte an kritischen Stellen stets dafür, dass sich die reißenden Fluten blitzschnell neue Wege suchten und dadurch neue Gefahrenstellen schufen.

Gefährliches Treibholz
Nicht nur das Hochwasser als solches bereitete den Einsatzkräften im Bregenzerwald große Probleme. Es kam immer wieder zu Verklausungen bei Brücken und anderen Engstellen. Angeschwemmtes Treibholz sorgte an kritischen Stellen stets dafür, dass sich die reißenden Fluten blitzschnell neue Wege suchten und dadurch neue Gefahrenstellen schufen.

Freiwillige HelferDie Hochwasserkatastrophe von 2005 ließ Vorarlberg zusammenrücken. Tausende Menschen eilten in den Tagen nach der Naturkatastrophe jenen zu Hilfe, die Hilfe brauchten. Allein in Bezau gab es Tage, an denen nicht weniger als 1000 freiwillige Helfer aus allen Landesteilen den Bewohnern des schwer in Mitleidenschaft gezogenen Ortes tatkräftig zur Hand gingen.

Freiwillige Helfer
Die Hochwasserkatastrophe von 2005 ließ Vorarlberg zusammenrücken. Tausende Menschen eilten in den Tagen nach der Naturkatastrophe jenen zu Hilfe, die Hilfe brauchten. Allein in Bezau gab es Tage, an denen nicht weniger als 1000 freiwillige Helfer aus allen Landesteilen den Bewohnern des schwer in Mitleidenschaft gezogenen Ortes tatkräftig zur Hand gingen.

Bezauer Wehr. Die entfesselte Ach machte auch vor der Bezauer Wehr nicht halt. Sanierungsmaßnahmen haben das Objekt heute viel sicherer gemacht.
Bezauer Wehr. Die entfesselte Ach machte auch vor der Bezauer Wehr nicht halt. Sanierungsmaßnahmen haben das Objekt heute viel sicherer gemacht.
Nicht allein.Im Bregenzerwald tauchte Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll mit einer großzügigen Spende seiner Landsleute auf.
Nicht allein.

Im Bregenzerwald tauchte Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll mit einer großzügigen Spende seiner Landsleute auf.

Verschluckt. Das Gewerbegebiet Bezau wurde vom Hochwasser einfach verschluckt. Meterhoch standen die Firmengebäude vor zehn Jahren unter Wasser.
Verschluckt. Das Gewerbegebiet Bezau wurde vom Hochwasser einfach verschluckt. Meterhoch standen die Firmengebäude vor zehn Jahren unter Wasser.
Haus war weg. Das Wohnhaus beim Betriebsgebäude der Metzgerei Broger in Mellau wurde von der Bregenzerach zuerst unter- und dann weggespült.
Haus war weg. Das Wohnhaus beim Betriebsgebäude der Metzgerei Broger in Mellau wurde von der Bregenzerach zuerst unter- und dann weggespült.