Strafen für Bettler verdreifacht

Vorarlberg / 02.09.2015 • 21:05 Uhr
Über 180 Euro Strafe zahlt ein Bettler im Schnitt. Foto: VN/HF
Über 180 Euro Strafe zahlt ein Bettler im Schnitt. Foto: VN/HF

Anfragebeantwortung zeigt, dass sich Anzahl und Höhe der Strafen verändert hat. 

Bregenz. M. muss betteln, um zu überleben. Er ist nicht allein, seine ganze Familie muss sich so ernähren. Sein Vater, sein Bruder, seine Schwester. Sie tun es nicht gerne, aber sie müssen. Auch an jenem Tag im Juni, an dem der junge M. seinem Vater eine Anzeige wegen organisierter Bettelei einbrachte. Eine Zeugin meldete sie bei der Polizei.

Sie habe M. zwei Euro gegeben und gesehen, wie er zu zwei Männern und einem Mädchen auf einer Sitzbank ging. Die Männer würden die Kinder zum Betteln schicken. Das Polizeiprotokoll liegt den VN vor. „Die anonyme Zeugin möchte nicht genannt werden“, steht da. Und weiter: „Daten der Polizei bekannt.“ Dass es sich bei den Bettlern um die Familie von M. handelt, ist Nebensache. Die Männer wurden angezeigt. Ein Beispiel von vielen, wie Anzeigen für bettelnde Menschen entstehen.

Auch Strafhöhe gestiegen

Im Jahr zwischen Juli 2014 und Juli 2015 wurden 1038 Verwaltungsstrafen ausgesprochen, die mit Bettelei zusammenhängen. Am häufigsten wegen „aufdringlichen oder aggressiven Bettelns“ (536) und wegen „Betteln in einer organisierten Gruppe“ (421). Dies ergab eine Anfragebeantwortung des zuständigen Landesrats Erich Schwärzler (ÖVP, 62) an die grüne Landtagsabgeordnete Nina Tomaselli (30). Damit hat sich die Zahl der Strafen innerhalb eines Jahres verdreifacht. Zwischen Juli 2013 und Juli 2014 wurden noch 309 Strafen ausgesprochen. Im Bezirk Feldkirch entfielen elf davon auf den Punkt „Betteln in organisierten Gruppen“. Im Jahr darauf waren es 218. Die Statistik enthält auch abgebrochene und nicht rechtskräftige Verwaltungsstrafverfahren. Auch die Höhe der Strafen ist gestiegen.

Waren es zwischen Juli 2013 und Juli 2014 noch 168,23 Euro, mussten ein Jahr später bettelnde Menschen durchschnittlich 183,30 Euro Strafe bezahlen. Geld, das sie nicht haben. In solchen Fällen ist eine Ersatzfreiheitsstrafe vorgesehen.

Strafe kommt alle teuer

Der Dornbirner Anwalt Anton Schäfer (49) hat anhand eines ihm bekannten Beispiels errechnet, was den Steuerzahler eine Strafe fürs Betteln kostet. Ein Bettler wird ertappt, wie er jemanden anspricht. Schäfer errechnet, dass allein dieser Polizeieinsatz 150 Euro kostet. Der Verwaltungsaufwand schlägt noch einmal mit 150 Euro zu Buche. Der Strafbescheid muss persönlich zugestellt werden, da der Bettler keine Adresse besitzt. Das machen zwei Polizisten, kostet 400 Euro. Und so weiter. Am Ende steht eine Ersatzfreiheitsstrafe, die pro Hafttag 100 Euro ausmacht. „Insgesamt kostet das 1355 Euro. Zur Erinnerung: Der Bettler, ein Unionsbürger, wurde mit 150 Euro bestraft“, schreibt Schäfer.

Keine Mafia gefunden

Wie viele der ausgesprochenen 1038 Verwaltungsstrafen im Gefängnis endeten, kann Schwärzler nicht beantworten: „Der Vollzug der festgesetzten Ersatzfreiheitsstrafen wird im Verwaltungsstrafprogramm nicht eigens angeführt“, heißt es in der Anfragebeantwortung. Eine kriminelle Vereinigung wurde bisher nicht entdeckt. Jedenfalls hat das Landeskriminalamt zwischen Juli 2013 und Juli 2015 keine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet.

Organisiertes Betteln bedeutet einfach, dass drei oder mehr Personen betteln und in organisatorischer, inhaltlicher oder funktioneller Hinsicht zusammenarbeiten.

Verwaltungsstrafen

Von 1. 7. 2013 bis 30. 6. 2014:

» Gesamt: 309 Verwaltungsübertretungen. Durchschnittliche Strafhöhe: 168,23 Euro.

» Bezirk Bludenz: 69; 168,38 Euro

» Bezirk Bregenz: 184; 166,64 Euro

» Bezirk Dornbirn: 30; 141,07 Euro

» Bezirk Feldkirch: 26; 228,24 Euro

Von 1. 7. 2014 bis 13. 7. 2015:

» Gesamt: 1038 Verwaltungsübertretungen. Durchschnittliche Strafhöhe: 183,30 Euro

» Bezirk Bludenz: 126; 192,17 Euro

» Bezirk Bregenz: 346; 193,60 Euro

» Bezirk Dornbirn: 249; 161,89 Euro

» Bezirk Feldkirch: 317; 184,97 Euro