Viel Zuneigung und Struktur

In der Götzner Tennishalle agieren Götzner und Flüchtlinge als erfolgreiches Doppel.
Götzis. Geduldig wartet Rita Kresser (64) in der zum Flüchtlingsquartier umfunktionierten Götzner Tennishalle auf Fahad. Die Pensionistin hat den 20-Jährigen aus Bagdad in ihr Herz geschlossen. Fahad ist noch unter der Dusche. „Er nimmt es mit der Körperpflege ganz genau“, lächelt die ehemalige Selbstständige im Gesundheitsbereich. Als Fahad endlich kommt, ist die Freude bei beiden groß. „Sie ist wie eine Mama für mich“, gesteht der junge Mann. Rita Kresser hat Fahad Tee mitgebracht. Gewöhnlich kommt sie immer am Montag und gibt einer Gruppe Asylwerber Deutschunterricht.
Eifrige Schüler
Am Deutschlernen sind gerade Husam (31) und Riad (31). Die beiden Syrer verlängern ihre Unterrichtszeit mit Lehrerin Antje Wiesmeier (49). „Sie wollen die Übersetzung eines deutschen Liedes mit dem Titel ‚Is mir egal‘“, erklärt Wiesmeier. Husam, ein Mathematiklehrer, und Riad, ein Pharmazeut, seien sehr wissbegierig und wollen schnellstmöglich Deutsch lernen. Andrea Fink (32) vom Flüchtlingsbetreuungsunternehmen ORS und Sonja Troger (48), Flüchtlingskoordinatorin des Landes, sind voll des Lobes über die Götzner Verteilungsstelle und die Götzner Bürger. „Mit der Gemeinde klappt das hier sehr gut, und die Götzner Bürger engagieren sich als Ehrenamtliche vorbildlich für die Flüchtlinge“, erzählt Fink.
Viele Aktivitäten
Was die Flüchtlinge neben der Grundversorgung vor allem bräuchten, fasst Fink in einem Wort zusammen: „Eine Tagesstruktur. Deswegen sind die Tage mit verschiedensten Aktivitäten gefüllt, die zu fixen Zeitpunkten stattfinden.“ Dazu zählen Wandern, Skaten, Ausflüge, Singen, Deutschkurse. Sehr oft seien die Bewohner im Dorf unterwegs, um mit Götzner Bürgern für all die genannten Betätigungen in Kontakt zu treten.
In ihrer Herberge finden die Asylwerber alles vor, was sie für ein menschenwürdiges Alltagsleben benötigen: Ess- und Lernplätze, 27 Kojen mit Betten, zwei Duschräume mit zwölf Duschen, dazu Toiletten. Im Bereich vor den Kojen sind Tischtennisplatten aufgestellt, auch ein Fußballkasten. Als eine wichtige Anlaufstelle für die zumeist jungen Männer vor Ort fungiert Rudolf Nußbaumer (68), ein langjähriger Flüchtlingsbetreuer mit sehr viel Erfahrung und Einfühlungsvermögen für vom Krieg traumatisierte Menschen.
Das gute Dorf
„Es ist ein gutes Dorf mit guten Leuten. Wir dürfen zufrieden sein“, sagt Faridullah (31) aus Afghanistan. Das sieht auch der Iraker Achmed so, wenngleich er via Smartphone zeigt, was bzw. wer ihm fehlt: „Ich möchte meinen Bruder hier“, leuchtet auf dem Display auf. „Der ist in Linz“, sagt Andrea Fink. „Wir schauen, dass er hierher kommen kann. Aber bei der riesigen Flut von Flüchtlingen nehmen organisatorische Dinge eine gewisse Zeit in Anspruch.“ Ein Asylwerber übt Kritik. „Es ist kalt hier. Mich friert.“ Der Kälte sollen nun die Heizstrahler Einhalt gebieten. Ob sie genug Wärme erzeugen können, wird sich weisen.
Wobei die Flüchtlinge ohnehin nicht lange in der Tennishalle bleiben werden. „Das hier ist ja nur eine Sammelstelle. Sobald die Caritas Quartiere bereitstellt, erfolgt der Transfer dorthin“, erläutert Tröger. Die ankommenden Asylwerber, die hauptsächlich aus Syrien, dem Irak und Afghanistan stammen, werden genau über ihre Situation, die Hausordnung und die Auswahl der Transfers in ihre endgültigen Quartiere aufgeklärt.
„Derzeit befinden sich 2238 Flüchtlinge in Vorarlberg. Heute kommen noch 30 dazu“, illustriert Tröger die Dimension der Flüchtlingshilfe. Nachbemerkung: „Was noch alles auf uns zukommt, wissen wir freilich nicht. Die Tennishalle haben wir sicherheitshalber für drei Jahre gebucht.“



