Kampf um Ackerland am Rhein

Vorarlberg / 27.11.2015 • 21:59 Uhr
Kampf um Ackerflächen: Jürgen Meusburger, Josef Moosbrugger und Ulrich Kopf.  Foto: VN/Steurer
Kampf um Ackerflächen: Jürgen Meusburger, Josef Moosbrugger und Ulrich Kopf. Foto: VN/Steurer

Landwirtschaft rebelliert gegen Rhesi. „Was man uns nehmen will, geht zu weit.“ 

Mäder. Für das Jahrhundertprojekt Rhesi (Rhein, Erholung, Sicherheit) braucht der Rhein vom Illspitz bis zum Bodensee mehr Platz. Die Mitteldämme sollen ganz abgetragen, die Außendämme an einigen Stellen weiter Richtung Siedlungsgebiet verschoben werden. Dadurch unvermeidlich sind Verluste von Anbauflächen für die Landwirtschaft. Besonders im Bereich Mäder/Koblach sowie bei Fußach sollen die Bauern dem Rhein Land zurückgeben. Doch die wehren sich.

„Je nach Ausbauvariante gingen auf Vorarlberger Seite zwischen 150 und 200 Hektar produktives Grünland verloren. Das ist zu viel“, setzt Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger (49) ein Rufzeichen. Konkret geht es um 33 Hektar „beste landwirtschaftliche Böden, auf denen Gemüse und Futtermittel erzeugt werden. 33 Hektar. Das ist die Fläche von zehn durchschnittlichen Vorarlberger Bauernhöfen“, verdeutlicht der Landwirtschaftskammerpräsident.

Ökologie wird kritisiert

Jürgen Meusburger (35), betroffener Landwirt aus Koblach, erklärt, was dies für ihn bedeuten würde. „Beim jetzigen Planungsstand würde ich meine besten drei Hektar Ackerland verlieren.  Genau dieser Boden ist der fruchtbarste. Ich baue dort unter anderem Kartoffeln, Karotten, Zwiebeln und Dinkel an. Diese drei Hektar sind für mich wichtiger als größere Flächen an einem anderen Ort.“ Der Gemüsebauer will sich entschlossen gegen den Verlust seiner besten Fläche wehren. „Die kann mir niemand ersetzen.“

Auch der Fußacher Landwirt Heinz Blum (56) klagt: „Fußach ist eine Kommune, die schnell wächst und wo viel landwirtschaftlicher Grund bereits verloren ging. Hier geht es um Nahrungsmittel. Man kann nicht alles der Ökologie opfern.“ Der Hochwasserschutz hingegen stehe außer Streit, betonen die Landwirte.

Boden ist ein rares Gut

Beim seit 2013 installierten Projektbeirat, in dem alle Rhesi-Parteien vertreten sind, fühlt sich die Landwirtschaft übergangen. „Wir dürfen dort zwar sagen, was uns beschäftigt, und man hört uns an, doch unsere Anliegen werden nicht berücksichtigt“, beschreiben die Landwirte ihre subjektiven Erfahrungen bei den Treffen des Beirats.

Für Moosbrugger sind zudem die in Aussicht gestellten Ausgleichsmaßnahmen, die als Entschädigung gelten sollten, nicht realistisch. „Der Boden wird nicht mehr. Und wenn man dem einen eine Fläche geben will, dann muss man die zuerst einem anderen wegnehmen.“ Moosbrugger stößt sich an der geplanten Umwandlung von Flächen für intensive Landwirtschaft in Böden für extensive Bewirtschaftung. „Das ist nicht dasselbe und bringt uns nichts.“

Konzept abgelehnt

Die Bauern kritisieren das vorgeschlagene Trittsteinkonzept, in dem ökologische Inseln vorgesehen sind. Sie wünschen sich, dass der Rhein im oberen Projektgebiet unverändert bleibt. „Dort gibt es ja das angestrebte Durchflussvolumen von 4300 m3/s bereits“, argumentiert Moosbrugger.
Das Trittsteinkonzept sieht zwischen Frutzmündung und Bodensee auf 26 Kilometer Länge die Errichtung von vier bis fünf ökologischen Inseln vor. An diesen Orten würde der Fluss breit gemacht, um die Entwicklung einer Öko-Kultur mit Pflanzen und Tieren zu ermöglichen. Der Rhein soll überhaupt mehr Platz bekommen. Zu diesem Zweck ist das Abtragen des mittleren Dammes vorgesehen. Im Bereich bei Mäder und Fußach sind aber auch Abrückungen der Außendämme geplant, die 150 Meter weiter Richtung Siedlungsgebiet neu angelegt würden. In diesen Bereichen befinden sich die umstrittenen landwirtschaftlichen Flächen, die von den Bauern zur intensiven Bewirtschaftung genutzt werden.

Bis zum Frühjahr 2016 soll die endgültige Variante von Rhesi stehen. Die Herausforderung für die Planer: Sie müssen die  Interessen von Trinkwasserversorgung, Ökologie, Landwirtschaft und Hochwasserschutz am Rhein unter einen Hut bringen.

Man kann am Rhein nicht alles der Ökologie opfern. Es geht auch um Nahrungsmittel.

Heinz Blum
Kampf um Ackerland am Rhein
Kampf um Ackerland am Rhein

Stichwort

Rhesi. Das Hochwasserschutzprojekt Rhesi sieht die Erhöhung der Durchflusskapazität des Rheins vom Illspitz bis zur Bodenseemündung auf 4300 m3/s auf allen Abschnitten vor. Laut aktuellem Planungsstand ist ein sogenanntes Trittsteinkonzept vorgesehen, für das vier bis fünf ökologische Inseln auf dem 26 Kilometer langen Abschnitt des Alpenrheins geplant sind. Rhesi ist mit 600 Millionen Euro budgetiert. Frühest möglicher Baubeginn ist 2021. Die Bauzeit beträgt 20 Jahre.