Einmal im Dienst, immer dabei

Vorarlberg / 14.01.2016 • 20:42 Uhr

Gemeindebedienstete sind kaum zu kündigen. Ein Beispiel: der Harder Gemeindesekretär.

Schwarzach. Öffentliche Bedienstete sind unkündbar. Klischee oder Wirklichkeit? Die Realität zeigt: Der Satz ist zumindest nicht an den Haaren herbeigezogen. Obwohl der Beamtenstatus in Vorarlberg seit 2005 abgeschafft ist, obwohl damit die Pragmatisierung der Vergangenheit angehört: Will eine Gemeinde einen längerdienenden Mitarbeiter loswerden, kann es teuer werden. Aktuell steht die Gemeinde Hard vor Gericht. Ein Vorschlag der Gewerkschaft soll Streitfälle vermeiden.

Langjährige Gemeindemitarbeiter haben einen besonders guten Kündigungsschutz: Wer fünf Jahre im Dienstverhältnis steht, dessen Kündigung muss sehr gut begründet sein. Bereits vor einigen Jahren erhielt der Harder Gemeindesekretär Reinhard Röck die Kündigung und klagte auf Wiedereinstellung. Er bekam in zwei Instanzen Recht.

In dritter und letzter Instanz hofft die Gemeinde auf eine außerordentliche Revision durch den Obersten Gerichtshof (OGH). Wird auch die abgeschmettert, darf der Ex-Gemeindesekretär wieder arbeiten. Mittlerweile hat die Gemeinde aber einen neuen Gemeindesekretär eingestellt. Ausstehende Jahresgehälter, Gerichts- und Anwaltskosten des über mehrere Instanzen gehenden Prozesses und das üppige Gehalt eines zweiten hochrangigen Bediensteten dürften das Gemeindebudget schwer belasten. Kundige Harder fürchten Kosten in sechsstelliger Höhe.

Nur ein Gemeindesekretär

Kritik kommt von der Harder Opposition. Eva Hammerer (Grüne) spricht von einer unüberlegten Entscheidung. Anton Weber (Harder Liste) will die außerordentliche Revision abwarten, sagt jedoch: „Zwei Gemeindesekretäre brauchen wir nicht.“

Die wird es laut Bürgermeister Harald Köhlmeier (ÖVP) nicht geben. Er geht davon aus, dass Röck bei einer Rückkehr nicht wieder als Gemeindesekretär arbeiten wird, allerdings in einer seinen Qualifikationen entsprechenden Position – so steht es im Gesetz. Zum Verfahren will er sich nicht äußern, da es noch läuft. Grundsätzlich könne man aber über eine Änderung des Gesetzes reden. Köhlmeier tat das bereits in seiner Rolle als Chef des Vorarlberger Gemeindeverbandes. Und zwar mit der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten „younion“. Deren Vorsitzender Wolfgang Stoppel erklärt die Idee: „Wir haben an eine Deeskalationsleiter gedacht.“

Vier Stufen angedacht

Rund 5000 Gemeindebedienstete gibt es derzeit in Vorarlberg, dazu kommen 800 des Dornbirner Spitals. Die Hälfte ist bei der Gewerkschaft „younion“. Dort denken die Verantwortlichen an einen Vierstufenplan, wie mit einem Gemeindebediensteten vorzugehen wäre, bevor es zum Äußersten kommt. Stufe eins: Ein Gespräch mit einer Frist, um sich zu bessern. Stufe zwei: ein weiteres Gespräch mit einem Personalvertreter. Stufe drei: Noch eine Zusammenkunft, dieses Mal mit einem höheren Vorgesetzten. Stufe vier: Konsequenzen wie Versetzung oder Kündigung.

Aktuell sieht das Gemeindeangestelltengesetz ein jährliches Leistungsgespräch vor. Nach dessen Beurteilung richtet sich die Gehaltsprämie, außerdem kann nach einer guten Beurteilung niemand gekündigt werden. Den Kündigungsschutz erklärt Stoppel so: „Damit ein Rathaus nicht umgefärbt wird, wenn ein neuer Bürgermeister kommt.“ Außerdem: Wenn eine Kündigung gut protokolliert sei und sie ihre Gründe hat, gehe sie in Ordnung.

Bertram Grass ist aufs Arbeitsrecht spezialisiert. Der Bregenzer Anwalt hat bereits Gottfried Winkel in Bezau vertreten, der 1997 seinen Job zurückbekam. Auch die ehemalige Stadtamtsdirektorin von Hohenems, Karin Rettenmoser, gehörte zu seinen Klienten. Er sagt: „Zwischen den Gemeindebediensteten und der Privatwirtschaft liegen Welten.“ Während in der Wirtschaft das Prinzip „Hire and Fire“ herrsche – also anheuern und kündigen – sei es in den Gemeinden nur schwer möglich, Mitarbeiter loszuwerden.

Für Grass ist das Gesetz eine politische Frage: „Ist es überhaupt noch zeitgemäß?“ Im – zumindest für die Gemeinde – schlimmsten Fall heißt das, dass für einen Mitarbeiter eine Stelle geschaffen werden muss oder er einfach seine Zeit absitzt. Wie es in Hard passieren könnte.

Grass kennt den Harder Fall, er vertritt die Gemeinde. Laufendes Verfahren, kein Kommentar. Nun ist der Oberste Gerichtshof am Wort. Und vielleicht bald der Gesetzgeber.

Es ist eine politische Frage: Ist das Gesetz noch zeitgemäß?

Bertram Grass

Das Gesetz ist so, damit ein Rathaus nicht umgefärbt wird, wenn ein neuer Bürgermeister kommt.

Wolfgang Stoppel

Statistik

Rechtsschutzstatistik
der Gewerkschaft:

» 2010: 19 Rechtsschutzfälle. Erstrittenes Geld: 3840 Euro, Anwaltskosten für die Gewerkschaft: 2600 Euro.

» 2011: 26 Fälle, 47 Euro erstritten, 2650 für Anwälte

» 2012: 60 Fälle, 251.100 Euro, 30.000 Euro Anwaltskosten

» 2013: 81 Fälle, 94.120 Euro, 6400 Euro Anwaltskosten

» 2014: 82 Fälle, 23.260 Euro, 2400 Euro Anwaltskosten

» 2015: 71 Fälle, davon 44 Beratungen, 20 Interventionen, sieben Mal Rechtsschutz (zwei Urteile beim Sozialgericht, fünf Interventionen durch Rechtsanwälte), 14 Vergleiche, die den Bediensteten 95.000 Euro gebracht haben. 1650 Euro Anwaltskosten