„Fachleute auf unserer Seite“

Vorarlberg / 14.02.2016 • 19:54 Uhr
Bernadette Mennel fordert mehr Kompetenzen für die Bundesländer in der Schulpolitik. Foto: VN/Paulitsch
Bernadette Mennel fordert mehr Kompetenzen für die Bundesländer in der Schulpolitik. Foto: VN/Paulitsch

Bernadette Mennel fordert mehr Eigenständigkeit für Bewältigung der Bildungszukunft.

Bregenz. Optimierung der Übergänge zwischen den verschiedenen Bildungsstufen, Implementierung einer flächendeckenden Modellregion für eine gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen in Vorarlberg, mehr Kompetenzen fürs Land in der Bildungspolitik, eine effizientere Frühförderung in Kindergarten und Volksschule: Laut Schullandesrätin Bernadette Mennel (56) muss sich Vorarlberg in der Zukunft einer Fülle von Herausforderungen stellen. Für das gerade abgelaufene erste Semester zieht sie eine positive Bilanz.

Wie schaut Ihre schulische Semesterbilanz aus?

Mennel: Mehrheitlich positiv. Wir haben die Weiterentwicklung der Schule der Zehn- bis 14-Jährigen auf Schiene gebracht. Das gibt allen Beteiligten Mut, diesen Weg beharrlich fortzusetzen. Ich freue mich auch, dass Schulen und Kindergärten die Aufnahme der Flüchtlingskinder so engagiert bewältigt haben. Weiterentwickeln müssen wir uns in Bereichen wie der Sprachförderung, da müssen Eltern stärker eingebunden werden, sowie bei der Optimierung der Übergänge.

Die jüngsten PISA-Ergebnisse haben wieder einmal alle aufgeschreckt. Elf Prozent der 15- und 16-Jährigen können kaum Lesen und Rechen, auch bei uns. Was sagt das über das Bildungssystem aus?

Mennel: Diese Ergebnisse der PISA-Studie 2012 sind auch für mich nicht zufriedenstellend. Man muss aber bedenken, dass die Studie schon ein paar Jahre alt ist und sich seither einiges bewegt hat. Da gab es bei uns das Volksschulpaket, das wir 2013 geschnürt haben. Es gab Ansätze für die Stärkung des Kindergartens und die Sprachförderung und den Ausbau der Ganztagsklassen. Es muss uns einfach gelingen, die Zahl der Spitzenschüler zu vergrößern und die Zahl der Risikoschüler zu reduzieren.

Vorarlberg wartet auf die nächsten Ergebnisse der Bildungsstandardtests, die im vergangenen Mai durchgeführt wurden (Anm.: Getestet wurden diesmal alle Viertklässler der Volksschulen in Deutsch). Wann gibt es die Ergebnisse, und was erwarten Sie?

Mennel: Noch wurde vom Bildungsministerium für die Bekanntgabe der Ergebnisse kein Termin genannt. Ob unser Volksschulpaket sich für diesen Test schon bemerkbar gemacht hat, bleibt abzuwarten.

Die Frühförderung gilt als Schlüssel für künftig bessere schulische Leistungen. Was macht das Land in diesem Bereich?

Mennel: Wir legen einen besonderen Fokus auf die Entwicklung von Qualitätsstandards in der Sprachförderung. Unter Einbeziehung von Wissenschaft und Praxis entstehen bis zum Frühjahr 2017 praxisorientierte Anleitungen für zielgerichtete Sprachförderung für Kindergärten, Volks- und Mittelschulen.

Hohe Bedeutung wird den Übergängen zwischen den Bildungsstufen beigemessen. Vom Kindergarten in die Volksschule, von dort in die Sekundarstufe, von der Sekundarstufe eins in die Sekundarstufe zwei: Was wird vom Land aus getan, um diese zu optimieren?

Mennel: Wir haben jetzt per Landesgesetz geregelt, dass Daten von Kindern beim Übertritt in die Volksschule übermittelt werden dürfen, auch gegen den Willen der Eltern. An der Pädagogischen Hochschule und auch in mehreren Gemeinden gibt es Netzwerke für die Zusammenarbeit von Kindergartenpädagoginnen und Volksschullehrern, um eben diese Übergänge bestmöglich zu schaffen. Die Fort- und Weiterbildung von Kindergartenpädagoginnen findet nun auch an der PH statt. Dort kommt es vermehrt zum Austausch mit den Lehrern von Volksschulen und Sekundarstufen.

Wie will man Volksschullehrer der vierten Klassen vor Eltern schützen, die Pädagogen zur Vergabe von guten Noten für ihre Kinder nötigen, damit diese ins Gymnasium kommen?

Mennel: Es gibt dazu eine Arbeitsgruppe, die nach den Semesterferien entsprechende Maßnahmen erarbeiten wird. Es soll ein Leitfaden zum Thema Noten und Notenwahrheit für Volksschulen erarbeitet werden. Letztendlich glaube ich jedoch, dass wir die Übergangsproblematik nur durch eine spätere Bildungswegentscheidung lösen können.

Das Forschungsprojekt für eine Schule der Zehn- bis 14-Jährigen in Vorarlberg wurde von der Regierung im Zuge der Bildungsreform praktisch ignoriert. Wie wollen Sie sich dagegen wehren?

Mennel: Wir haben unsere Vorstellungen bereits mehrfach beim Bund deponiert. Auch in den vergangenen Wochen haben wir uns eingebracht und deutlich gemacht, dass unser Ziel eine vielfältige, leistungsstarke, wertschätzende und chancengerechte Schule der Zehn- bis 14-Jährigen im gesamten Bundesland Vorarlberg ist. Ich weiß mich bei diesem Ziel gut unterstützt. Fachleute aus Schule, Wissenschaft und Verwaltung sind auf unserer Seite. Wir arbeiten an einer Schule mit innerer Differenzierung.

Sind Sie für mehr Länderverwaltung und -gestaltung im Schulbereich ?

Mennel: Ja. Ich bin überzeugt, dass mit einem höheren Einfluss des Landes in der Schulverwaltung bürgernäher agiert werden und auf regionale Bedürfnisse rasch und effizient eingegangen werden kann. Das kommt den Schülerinnen und Schülern im Land zugute.

Stichwort Lehrerausbildung. Die Pädagogische Hochschule Vorarlberg kämpft im Sekundarbereich um vollumfängliche Kompetenzen bei der Ausbildung von Lehrern in den Hauptfächern. Wie wichtig ist Ihnen das?

Mennel: Die Chancen stehen gut, dass wir an der PH ab Herbst wichtige Kernfächer anbieten werden: Deutsch, Mathematik, Englisch, Bewegung und Sport. Ob all das umfassend in Vorarlberg angeboten kann, wird sich bald klären.

Was wünschen Sie sich fürs zweite Semester?

Mennel: Ich habe zwei große Wünsche: Ein gutes Gelingen der Zentralmatura, die heuer erstmals auch an den BHS stattfindet; und einen positiven Abschluss der Bildungsreform, welche die Interessen der Länder bei der Umsetzung einer Bildungsdirektion entsprechend berücksichtigt sowie eine Realisierung der Modellregion für eine Schule der Zehn- bis 14-Jährigen ermöglicht.

Herzlich danken möchte ich schon jetzt allen Pädagoginnen und Pädagogen in Vorarlberg für die von ihnen geleistete Arbeit.