“Beteiligung ist anspruchsvoll”

Schadt spricht über den Zusammenhang zwischen Raumplanung und Integration.
Bregenz. Am Dienstag ging in Bregenz zum 13. Mal die Vorarlberger Integrationskonferenz über die Bühne. Rund 180 Teilnehmer diskutierten die Schnittstelle zwischen Raumentwicklungsplanung und Integration und zeigten dabei sowohl erprobte Praxisbeispiele als auch weiterführende Handlungsansätze auf. Georg Schadt, Experte im Bundeskanzleramt, präsentierte die zentralen Erkenntnisse aus der Partnerschaft „Vielfalt und Integration im Raum“ des Österreichischen Raumentwicklungskonzepts (ÖREK). Im VN-Interview erklärt er, was das genau bedeutet.
Wie hängen Raumentwicklung und Integration zusammen?
Schadt: Integration findet vor Ort statt und hat räumliche Auswirkungen. Sei es in der sozialen Infrastruktur, in öffentlichen Räumen oder in der Siedlungspolitik.
Wurde dieser Zusammenhang bisher zu wenig berücksichtigt?
Schadt: Es gibt interessante Beispiele auf kommunaler Ebene. Aber die Systematik fehlt, es gibt keinen allgemeinen politischen Ansatz. Deshalb haben wir uns im Rahmen der österreichischen Raumordnungskonferenz auch damit beschäftigt.
Wurden früher Fehler gemacht?
Schadt: Die raumplanerische Vorgabe war die mittelständische, weiße Bevölkerung. Das war der Gegenstand klassischer Raumplanung, mit diesem Bild hat man öffentliche Räume und soziale Infrastruktur geplant sowie Siedlungspolitik betrieben. Stichwort: Einfamilienhaussiedlungen.
Wie funktioniert das Zusammendenken von Raumentwicklung und Integration konkret?
Schadt: Wird etwas neu gebaut, braucht es eine Bedarfsanalyse, welche die zugewanderte Bevölkerung miteinbezieht. Also deren Wohnbedarf und deren Vorstellungen analysiert. Dann kommt zum Beispiel raus, dass es leistbaren Wohnraum braucht, und zwar für alle in der Bevölkerung. Also könnte man dann die hohen Qualitätsnormen anschauen.
Die Vorarlberger Wohnbaupolitik ist immer noch sehr auf Eigentum fokussiert, bei sehr hohen Wohnungspreisen. Passt das mit Integrationspolitik zusammen?
Schadt: Das ist bei der Integrationskonferenz auch Thema. Unter anderem geht es um die Grundstücke, die das Land von Kirchen und von öffentlichen Trägern pachten will, um günstige Wohnungen zu bauen.
Sie sprechen vom Sonderwohnbauprogramm, also von zunächst 150 Wohnungen.
Schadt: Wenn man die Prognosen ansieht, wird das nicht reichen.
Wie sieht die ideal geplante Stadt aus?
Schadt: Innerhalb der Verwaltung braucht es Kooperation. Die Planer brauchen den Kontakt zur Integrationsseite. Noch besser wäre eine Stelle, die dafür sorgt, dass alle notwendigen Stellen eingebunden sind. Außerdem sollte in die Prozessqualität investiert werden. Bürgerbeteiligung klingt trivial, ist aber sehr anspruchsvoll. Die Planung sollte transparent sein, und von Beginn an muss klar sein, was möglich ist. Zu Beginn darf kein Ziel feststehen, der Prozess muss offen sein.
Das heißt, es gibt keine ideale Stadt, sondern lediglich einen idealen Prozess?
Schadt: Genau, es gibt keine Schablone, die auf jede Situation passt. Es ist übrigens eine anspruchsvolle Aufgabe, jenen Teil der migrantischen Bevölkerung miteinzubeziehen, der sich normalerweise aus sprachlichen Barrieren, aus Scheu oder Misstrauen gegenüber der öffentlichen Hand nicht beteiligt.
Sind die Kommunen bereit, sich mit diesem Thema zu beschäftigen?
Schadt: Das kann man nicht verallgemeinern. Es braucht ein gewisses gesellschaftliches Klima. Das Klima in Vorarlberg ist günstig. Hier gelingt es, parteienübergreifend einen islamischen Friedhof zu bauen oder relativ konfliktfrei kulturelle Zentren zu errichten.
Es gibt ein Minarettverbot.
Schadt: Aber es werden kulturelle Zentren gebaut. Das sind gesellschaftliche Kompromisse und für alle akzeptabel. Vielleicht ist das in zehn Jahren sowieso kein Thema mehr.
Am Ende steht immer ein Kompromiss?
Schadt: Das Planungsgeschäft ist ein Ausgleich von Nutzungskonflikten. Das betrifft nicht nur die Frage der Zuwanderung, sondern generell des gesellschaftlichen Wandels. Es gibt Veränderungen in der Familienstruktur, im Mobilitätsverhalten und in der Altersstruktur, auf die Rücksicht genommen werden muss.
Zur Person
Georg Schadt
Leiter der Abteilung IV/4 des Bundeskanzleramts: Raumordnung und Regionalpolitik.
Laufbahn: Studium der Volkswirtschaft an der Universität Wien, Forschung bei WIFO, IWS, Ludwig- Bolzmann-Institut für Wachstumsforschung und Zentrum für Verwaltungsforschung. Seit 1994 Referent im Bundeskanzleramt.
Derzeitige Arbeitsschwerpunkte: Unter anderem nationale und internationale Raumentwicklungspolitik, Raumdimension der Integrationspolitik.