„Hundertprozentige Trennung unrealistisch“

Vorarlberg / 02.06.2016 • 19:05 Uhr
Stellte sich beim VN-Stammtisch auch vielen Kritikern: Landesveterinär Dr. Norbert Greber. Foto: VN/Hofmeister
Stellte sich beim VN-Stammtisch auch vielen Kritikern: Landesveterinär Dr. Norbert Greber. Foto: VN/Hofmeister

Landesveterinär Greber appelliert bei TBC-Bekämpfung an Bereitschaft zur Kooperation.

Bregenz. Die Meidung von Alpen wäre eine Sicherheitsstrategie, meint der Landestierarzt. Er ist vorsichtig optimistisch, dass sich das TBC-Katastrophenjahr 2016 nicht wiederholen wird. Zudem mahnt Greber eine konsequente Umsetzung des 13- Punkte-Maßnahmenkatalogs ein, um das Risiko von neuerlichen Ansteckungen durch den TBC-Erreger zu minimieren.

Sind alle Tests auf den Rinder- TBC-Erreger nun endgültig fertig?

Greber: Die Tests sind in allen untersuchungspflichtigen Betrieben längst abgeschlossen. Allerdings haben wir noch immer neun gesperrte Betriebe, da die Nachuntersuchungsfristen nach einem positiven Fall zwei mal zwei Monate betragen. Von diesen neuen Betrieben haben sechs ihre abschließenden Untersuchungen in den nächsten Wochen, sodass sie noch rechtzeitig vor der Alpsaison wieder frei werden können.

Wie sieht die endgültige Bilanz aus?

Greber: Wir hatten heuer insgesamt 13 Betriebe mit positivem Erregernachweis. Ein weiterer Betrieb ist nach wie vor Verdachtsbetrieb, das heißt die endgültige Diagnose in der Kultur steht noch aus. Insgesamt sind 81 Stück Vieh wegen TBC-Verdacht getötet worden.

Die Alpsaison hat zum Teil schon begonnen. Mit welchen Gefühlen sehen Sie dieser entgegen?

Greber: Für die neue Alpsaison bin ich vorsichtig optimistisch. Die Übertragungen in der Vergangenheit sind in erster Linie im Kerngebiet passiert. Genau dort wurde der Wildbestand am stärksten reduziert. Natürlich kommt es auch auf die Befunde beim Rotwild an, die wir jetzt laufend bei den Untersuchungen erheben. Und natürlich hängt auch vieles an der konsequenten Umsetzung des 13-Punkte-Programms, das ja auf eine Minimierung der Übertragungsmöglichkeiten abzielt.

Müsste man aus prophylaktischen Gründen heuer nicht viel mehr Alpen meiden?

Greber: Die Meidung von gewissen Alpen wäre eine Strategie für Sicherheit. Wer garantiert aber, dass dann nicht woanders doch etwas passiert? Es wurde daher in den neuen 13-Punkte-Katalog die Formulierung aufgenommen, dass beim Erkennen einer erhöhten Prävalenz bei Rotwild die Weideführung auf der Alpe entsprechend anzupassen ist, um Kontakte möglichst zu vermeiden.

Wie effizient können Trennungsmaßnahmen von Vieh und Wild auf der Alpe sein?

Greber: Eine hundertprozentige Trennung ist unrealistisch. Es geht aber um eine Vermeidung gewisser gefährlicher Kreuzungspunkte, insbesondere um die Auszäunung der Rotwildfutterplätze, um Meidung von Gebieten mit festgestellter erhöhter Wild-Prävalenz und ein entsprechendes Management der Salzsteine für Wild und Vieh.

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass es auch andere Ansteckungsformen gibt?

Greber: Wir untersuchen heuer eine Anzahl von Füchsen und Dachsen aus dem Kerngebiet. Ergebnisse haben wir bisher keine. Aus den Untersuchungen anderer Länder in vergleichbarer Situation wissen wir, dass hier TBC wohl eine untergeordnete Rolle spielt. Außerdem halten Experten diese Tierarten aufgrund ihrer Lebensweise eher für epidemiologische Sackgassen. Das heißt, eine Infektion ist zwar möglich, die Chance, dass von ihnen aber wieder Rinder infiziert werden, eher gering.

Es hat einen veritablen Streit zwischen Bauern und Jägern mit gegenseitigen Vorwürfen gegeben. Wie schädlich ist das für eine effiziente Bekämpfung des Problems?

Greber: Bei allem Verständnis für Emotionen bei diesem Thema nützen diese letztlich bei der Problembewältigung wenig. Hier geht es um sachliche Zusammenarbeit und um Kooperation.

Sie waren vom Ausmaß der TBC-Verdachtsfälle heuer überrascht. Ist man auch im nächsten Jahr nur auf Glück angewiesen, wie stark der Erreger in Erscheinung treten wird?

Greber: Nach dem guten Ergebnis im Vorjahr haben wir nicht mit diesem Anstieg an Fällen bei Rindern gerechnet, das stimmt. Dass wir uns aufs Glück verlassen, stimmt aber sicher nicht. Es wurden wieder eine ganze Reihe von Umsetzungsmaßnahmen beschlossen und in Angriff genommen, um die Situation zu stabilisieren. Von der Konsequenz in der Umsetzung hängt sicher mehr ab als vom Glück.

Was für neue Erkenntnisse hat die Seuchenexpertin Dr. Nigsch bisher liefern können?

Greber: Aus dem, was mir bisher bekannt ist, kann ich sagen, dass die Ansichten von Frau Dr. Nigsch mit unserer Sichtweise sehr gut übereinstimmen. Insbesondere ihre Ansicht, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit verbessert werden muss, kann ich nur unterstützen.