Schwierige Lage
Vor zwei Wochen habe ich in einem Kommentar geschrieben, dass es grundsätzlich noch kein Skandal ist, dass in vier von über 100 Bezirkswahlbehörden mit dem Auszählen der Wahlkarten noch am Sonntagabend begonnen wurde. Zwar sieht das Gesetz vor, dass dies erst am folgenden Tag um neun Uhr stattfinden darf, allerdings haben in den konkreten Fällen alle Wahlbeisitzer die rechnerische Richtigkeit der Auszählung bestätigt.
Daran halte ich auch nach der Wahlanfechtung durch die FPÖ beim Verfassungsgerichtshof fest. Mittlerweile sind freilich zahlreiche weitere Vorgänge bekannt geworden, die, wenn sie so geschehen sind, vorsichtig ausgedrückt auf großflächige Schlampereien schließen lassen. Wenn es zutrifft, dass Wahlkarten in vielen Bezirkshauptmannschaften vor Montag neun Uhr geöffnet wurden und die Wahlkommissionen vorsortierte Stapel vorgefunden haben, liegen schwerwiegende Gesetzwidrigkeiten vor.
Der VfGH befindet sich in einer schwierigen Lage: Soll er, wenn sich die Vorwürfe bewahrheiten, der Wahlanfechtung Folge geben, auch wenn an der ziffernmäßigen Richtigkeit des Wahlergebnisses wenig Zweifel bestehen? Wenn nicht, wäre das Urteil des VfGH dann nicht ein Signal, dass man sich bei einem so heiklen Thema wie dem Wahlrecht nicht um das Gesetz scheren muss, solange die Auszählung der Stimmen einigermaßen passt?
Der Umstand, dass das Verfassungsgericht eine mündliche Verhandlung durchführt, in der Vertreter von 50 Bezirkswahlbehörden einvernommen werden, zeigt, wie ernst die Angelegenheit ist. Die dadurch geschaffene Transparenz der Aussagen sollte geeignet sein, einige Unklarheiten auszuräumen. Wie die Anfechtung ausgeht, wage ich mittlerweile nicht mehr zu prognostizieren.
Kaum Aussicht auf Erfolg dürften allerdings die weiteren Beschwerden der FPÖ haben, soweit sie etwa Fotos von Stimmzetteln auf Facebook betreffen. Die Veröffentlichung der eigenen Wahlentscheidung ist zwar ein schlimmer Unfug, für sich allein aber noch nicht rechtswidrig. Was die Berichterstattung durch den ORF betrifft, kann auf die Entscheidung des VfGH im Jahre 2005 über eine Wahlbeschwerde gegen die Vorarlberger Landtagswahl verwiesen werden. Damals war wörtlich ein „bananenrepublikanischer Tiefpunkt“ durch eine angeblich einseitige Berichterstattung in Vorarlberg bemängelt worden. Dies überzeugte den VfGH freilich nicht, er wies die Beschwerde mit knapper Begründung ab.
Wie die Anfechtung ausgeht, wage ich mittlerweile nicht mehr zu prognostizieren.
peter.bussjaeger@vorarlbergernachrichten.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus
und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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