Ein Höllenkreislauf mit Panik und Depressionen

Vorarlberg / 29.07.2016 • 18:32 Uhr
Franz Leitner und seine Therapeutin Yvonne Skrabl. Der junge Mann hat einen harten Weg aus der Sucht vor sich. Foto: VN/Steurer
Franz Leitner und seine Therapeutin Yvonne Skrabl. Der junge Mann hat einen harten Weg aus der Sucht vor sich. Foto: VN/Steurer

Ein Betroffener erzählt über sein Leben im Sumpf von Spielsucht und Schulden.

Frastanz. Franz Leitner* (32) ist ein attraktiver junger Mann. Kurzhaarfrisur, sportliche Figur, gepflegte Umgangsformen. Aber der gebürtige Salzburger hat ein großes Problem – er ist hochgradig spielsüchtig. Und deswegen haben sie ihn von Zell am See nach Frastanz zur Schwerpunktgruppe Spielsucht in die Therapiestation Maria Ebene geschickt. „Ich will davon loskommen und mein altes Leben hinter mir lassen“, sagt Leitner. Sein altes Leben. Es war jenes eines Kellners und Barmannes. Franz Leitner war dort, wo man Geld anschauen konnte. In Ibiza, in Nobelhotels, in Casinos. Ein klein wenig Geld steckte er schon vor zehn Jahren in Spielautomaten. „Zuerst fünf Schilling, später zehn Euro.“ Aber alles noch kein Problem. „Zwei, drei Jahre war ich danach beruflich viel unterwegs. Da hab’ ich überhaupt nicht gespielt.“

Aufholjagd

Doch dann kommt 2008. Franz erhält einen Job in einer genehmigten Glücksspielhalle. Er sieht Menschen Geld verlieren. „Aber auch gewinnen. Das reizte mich.“ Er sucht illegale Spielhöllen auf. Zockt, gewinnt, verliert. „Ein Jahr lang war das ein Nullsummenspiel.“ Leitner arbeitet zu dieser Zeit an einer Bar, beginnt, mehr zu trinken. Hemmschwellen verschwinden. Er riskiert beim Spielen, längst zur Sucht geworden, mehr. Das Pendel schlägt nach hinten aus. „Ich verlor. Doch je mehr ich verlor, desto mehr kam dieser Drang zur Aufholjagd. Du willst das Verlorene zurückgewinnen, riskierst noch mehr.“

Die erste Therapie

Leitner leiht sich Geld. Hier 200 Euro, dort 300 Euro. Er kann seine Fixkosten nicht mehr decken, hat 12.000 Euro Schulden. Es ist Mai 2012. Der Salzburger zieht erstmals die Reißleine. „Ich begab mich in Kärnten für zwei Monate auf Therapie. Als ich zurückkam, war meine Freundin weg. Sie hatte mich nach neun Jahren Beziehung verlassen.“ Eine Zeit lang hält er sich zurück. Doch die Sucht ist letztlich stärker. Ab 2014 sind illegale Spielhöllen sein zweites Zuhause. Ein Zuhause ohne Geborgenheit. Leitner spielt auf Teufel komm raus. Drei Mal die Woche. Schon längst steht er wieder überall in der Kreide. Er beschreibt sein Leben als Höllenkreislauf. „Die Typen in den Spiellokalen waren gnadenlos, zum Teil brutal. Haben dich rausgeworfen, wenn sie wollten.“

Leitner spielt oft 20 Stunden durch. Das Zeitgefühl ist weg. „Du weißt nicht mehr, ob die Sonne scheint oder nicht. Du bist in deiner eigenen dunklen Welt.“ Die Sonntage verschwinden aus seinem Bewusstsein. „Weil ich da immer durchschlief. Von morgens bis abends.“

Suche nach neuem Leben

Leitner stößt physisch und psychisch an seine Grenzen. „Ich hatte Panikattacken. Ich konnte im Job kaum mehr funktionieren. Ich bekam Depressionen, hatte Suizidgedanken.“ Sein Freund kann ihm nicht helfen. Im Gegenteil. Der ist ein noch hemmungsloserer Spieler, zieht ihn noch mehr rein statt raus. 

Endlich die Notbremse im April dieses Jahres. Franz Leitner ist sich bewusst: So geht es nicht mehr weiter. Er wendet sich an den nächsten psychosozialen Dienst. Die schicken ihn nach Maria Ebene, wo die Schwerpunktgruppe Spielsucht unter Leitung von Yvonne Skrabl einen guten Ruf besitzt. Am 4. Juli kommt er nach Frastanz.

„Ich werde noch viel Therapie brauchen“, sagt der Patient illusionslos. Es stecke noch alles tief in ihm drinnen. Franz will ein neues Leben beginnen, weg von der Gastronomie, weg von den Orten seines persönlichen Untergangs.

Er, der bei Pflegeeltern aufwuchs und auch dort wenig Schönes erlebte, sucht Wärme, ein neues Leben, einen neuen Beruf – weit abseits von Bars, dunklen Spelunken und Spielautomaten.

 

* Name von der
Redaktion geändert.

Heuer im April wurde mir klar: So geht das nicht mehr weiter.

Franz Leitner