„Warten ist kaum noch auszuhalten“

Immer noch kein Prozesstermin im Mordfall Stefanie Nesensohn. Die Angehörigen leiden.
Frastanz. 4. November 2015. Ein unfassbares Verbrechen schockiert Vorarlberg. Die 28-jährige Frastanzerin Stefanie Nesensohn wird in ihrer Wohnung brutal erwürgt. Anschließend versucht der Täter, die Leiche anzuzünden. Der Tat dringend verdächtigt ist ein 26-jähriger Mann aus der Dominikanischen Republik. Er wäre der Vater des Kindes gewesen, das die Frau unter ihrem Herzen trug. Sie war im achten Monat schwanger.
30. März 2017. Vor allem Mutter Daniela (51) und Vater Walter (53) sind noch immer gebrochene Menschen. Dies auch deshalb, weil sich der mutmaßliche Täter – es gilt die Unschuldsvermutung – noch immer nicht vor Gericht verantworten musste. „Wir werden niemals richtig abschließen können. Aber wenn der Prozess endlich vorbei wäre und der Täter endlich dorthin kommt, wo er hingehört, dann könnten wir einen Neuanfang in unserem Leben versuchen. Vorher geht das nicht“, sagt Daniela Nesensohn mit tränenerstickter Stimme. Sie fügt an: „Das Warten ist kaum auszuhalten.“ Gatte Walter nickt. „Überall reden dich die Leute an. Sie fragen, wann der Prozess ist. Niemand versteht, warum er noch nicht stattgefunden hat.“ Die Eltern der getöteten Stefanie quält die Ungewissheit, was letztlich mit dem dringend Tatverdächtigen passiert. Der Mann leugnet die Tat bis heute.
Aufwendige Ermittlungen
An Polizei und Staatsanwaltschaft richten die Nesensohns keinen Vorwurf. Sie wissen von ihrem Anwalt Stefan Denifl (48), dass die nichts dafür können und ihre Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen machen. Sehr wohl kommt eine ohnmächtige Wut auf jenen Mann hoch, der aufgrund zahlreicher Indizien beschuldigt wird, das schreckliche Verbrechen an ihrer Tochter begangen zu haben.
Denifl kann das verstehen und erklärt den Grund, warum es noch nicht zu einem Prozess gekommen ist: „Der Mann hat bis Dezember 2016 geschwiegen. Danach brachte er eine andere Person ins Spiel, die seiner Meinung nach die Tat begangen haben könnte. Natürlich mussten Staatsanwaltschaft und Polizei diesen Angaben nachgehen. Das alles und die Erstellung einer lückenlosen Indizienkette nimmt sehr viel Zeit in Anspruch.“
Nichts sei, so Denifl, unangenehmer, als wenn der Prozess wegen Verfahrensmängeln vertagt werden müsste.
Bekannte verloren
Die Nesensohns können das zwar nachvollziehen, an ihrem Leid ändert es jedoch nichts. Sie haben einige ihrer Bekannten verloren. „Weil die nicht wussten, wie mit uns in einer solchen Situation umgehen“, sagt Walter. Hinzu kommt, dass niemand letztlich mit Gewissheit sagen kann, wie der Prozess ausgehen wird.
Daniela weiß schon jetzt, dass sie der Verhandlung nicht beiwohnen will. „Ich werde diesen Tag im Bregenzerwald verbringen. Ich würde das im Schwurgerichtssaal nicht aushalten. Ich hätte Angst davor, diesem Menschen in die Augen zu blicken. Und ich wüsste nicht, wie ich reagieren würde, bekäme er nicht das, was ich hoffe, dass er bekommt.“ Vater Walter hingegen will unbedingt dabei sein. „Das habe ich mir fest vorgenommen.“
Schmerzlicher Frühling
Den voll einsetzenden Frühling empfindet die Mutter der Ermordeten bedrückend. „Die Sonne scheint, und überall springen kleine Kinder herum. Ich muss dann ganz besonders an Stefanie und Naima denken. Mir wäre es lieber, es wäre dunkler und noch Winter.“
Ihr größter Trost in dieser Zeit ist Enkelin Dilara. „Sie zwingt mich dazu, nicht nur traurig zu sein. Das ist gut so.“
