„Wir müssen wachsam bleiben“
Umweltikone Hildegard Breiner bleibt dem Naturschutzbund als Obfrau erhalten.
Bregenz. Soeben erst 81 Jahre alt geworden, hat die Russ-Preis-Trägerin nichts an Energie verloren. Hildegard Breiner kritisiert Raumplanung und Straßenbauvorhaben und spricht bei Rhesi von einem Kompromiss.
Auf einer Qualitätsskala von null bis zehn: Wo sehen Sie den Naturschutz in Vorarlberg?
Breiner: Ich möchte das nicht so bewertet sehen. Schließlich ist alles eine Sache des Blickwinkels. Außerhalb von Vorarlberg glauben viele, wir seien hier Vorreiter in Sachen Naturschutz. Aber ich sehe das nicht so. Der Naturschutz darf zwar überall mitreden, aber nichts wirklich mitentscheiden. Bei kritischen Themen stülpt man überall das Etikett „Öffentliches Interesse“ drüber – und wir haben mit unseren Anliegen verloren. Die Natur hat keinen Anwalt. Wir sind dazu aufgerufen, diese Arbeit zu tun.
Was sehen Sie auf der Prioritätenliste Ihrer Organisation fürs kommende Jahr ganz oben?
Breiner: Als konkretes Projekt fällt mir da spontan die Schaffung von Kleingewässern und Feuchtgebieten ein. Die sind nämlich kaum vorhanden. Dabei spielen sie für die Entwicklung einer Artenvielfalt eine sehr bedeutende Rolle. Natürlich müssen wir bei den vielen bekannten Langzeitthemen wie Atomkraft, erneuerbare Energie oder beim Einsatz für den Erhalt der Landesgrünzone aktiv und wachsam bleiben. Bei der vieldiskutierten Landesgrünzone bleibe ich dabei: Sie muss als Ganzes erhalten bleiben. Es braucht ein Gesamtkonzept und keine Beurteilung in Einzelfällen. Sonst geht der Bodenverbrauch so schleichend weiter wie bisher.
Beim vielgescholtenen Memorandum der neuen Naturschutzrat-Vorsitzenden schossen sich Kritiker nur auf die Forderung bezüglich Landesgrünzone ein. Warum gab es auf all die anderen Punkte keine Reaktion?
Breiner: Das würde mich auch sehr interessieren. Dieses Memorandum war die Zusammenfassung von Standards des Naturschutzes. Was soll denn ein Naturschutzrat sonst wollen, als Grundhaltungen zu formulieren und sich zu erlauben, diese zum Einstand seiner Tätigkeit auf den Tisch zu legen. Da wurde dann von den Kritikern nur ein Punkt herausgenommen. Auf die anderen Punkte ist man nicht eingegangen. Und doch wurde das ganze Memorandum verteufelt. An der Raumplanung ist viel krank. Dort fehlt eben dieses Gesamtkonzept, das auch die Weiß- und Blauzonen einbezieht und die Grundreserven respektiert.
Jetzt wurde von der ursprünglich definierten Landesgrünzone aber nachweislich sehr wenig Grund wirtschaftlich verwertet. Geht die Kritik, wie im Fall Ölz, von Naturschutzseite nicht doch zu weit, immerhin sind da auch Arbeitsplätze im Spiel?
Breiner: Es ist ja nicht so, dass Ölz nur an dem umstrittenen Platz bauen könnte. Dahinter steckt auch die Absicht von Ölz, den Grund zu kaufen. Er ist ja mit einem Baurecht nicht zufrieden. Grundsätzlich sollte er jedoch auf einer der gewidmeten Flächen bauen.
Das Jahrhundertprojekt Rhesi steht in der Grundkonzeptionierung vor dem Abschluss. Wie gut können Sie mit dem leben, was derzeit auf dem Tisch liegt?
Breiner: Wir haben uns bekanntermaßen für die große ökologische Variante eingesetzt, und das Problem mit der notwendigen Flussaufweitung konzentriert sich hauptsächlich auf Hard/Fußach. Die große Lösung, die eine Jahrhundertchance wäre, gibt es nicht. Durch die vielseitigen Interessen ist es immer enger geworden. Jetzt haben wir eine ökologisierte Variante. Mit der Landwirtschaft scheint sich eine Annäherung abzuzeichnen, obwohl es natürlich keine Ausgleichsflächen im gewünschten Ausmaß gibt. Darüber muss man sich keine Illusionen machen. Beschlossen scheint das Konzept mit den Trittsteinen, also Ausweitungen im Abstand von einigen Kilometern. Hochwasserschutz und Ökologisierung sind Zwillinge. Man wird sehen, ob die beschlossene Variante den dramatischen Veränderungen durch den Klimawandel gerecht wird.
War der behördliche Einspruch gegen die Grundwassertestbohrungen durch Umweltgruppen in der Schweiz gerechtfertigt? Man riskierte doch damit eine erhebliche Verzögerung des Gesamtprojekts.
Breiner: Ich glaube ja, weil die Schweizer Gesetze viel strenger sind als die unsrigen. Der Einspruch hat nun die Rechtmäßigkeit der Aktivitäten bestätigt.
Werden Sie als Naturschutzbund weiterhin die großen Straßenprojekte Tunnelspinne und Riedstraße bekämpfen?
Breiner: Ja. Weil man die einfacheren, billigeren und schnelleren Lösungen offensichtlich unterdrücken will.
Warum sollte man das tun?
Breiner: Ich meine, dass man einen einmal beschlossenen Weg nicht verlassen will. Schließlich hat man schon so lange daran gearbeitet. Wir wollen für die kleineren und besseren Lösungen weiterkämpfen. Ich halte es nach wie vor auch für einen Betrug an der Bevölkerung, wenn man von den großen Lösungen spricht, die auch aus Geldmangel nicht kommen können.