Wenn kein Wald mehr wächst

Begehung im Ladritschtal bei Damüls bringt Jäger und Waldschützer in heiße Diskussionen.
Damüls. An die 100 Interessierte sind der Einladung des Waldvereins zu einer Exkursion ins Ladritschtal gefolgt. Ziel des Ausflugs war es, den Teilnehmern vor Augen zu führen, wie ein verwüstetes Stück Wald aussieht, was für Folgen so etwas haben kann und wie man den Wald wieder in einen guten Zustand bringen könnte.
Keine Bäume mehr
Die Ankunft am Zielort lässt nicht lange auf sich warten: Ein steiler Hang mit Baumstümpfen, viel Wurzelwerk und einigen kümmerlichen Baumpflänzchen: für die Forstexperten der Prototyp eines verwüsteten Waldes. Vor mehr als 20 Jahren gab es hier einen Windwurf, der den Streifen zerstörte. Seitdem scheiterten sämtliche Aufforstversuche. Für Waldkenner Karl Studer (62) von der BH Bludenz ist der Grund dafür klar: „Der Rotwildbestand ist hier viel zu hoch. Wildverbiss ließ die hier gesetzten Fichten niemals hochkommen.“ Studer schlägt vor, das Wild von derzeit 200 bis 300 Stück auf 20 Stück zu reduzieren und für diesen Zweck auch die Wildfütterungsstellen abzubauen. Letztlich sollte man sie ganz auflassen. Nur dann habe der Wald hier eine Chance, sich wieder zu erholen.
Die anwesenden Jäger teilen diese Ansicht nicht. „Das hier ist ein optimaler Lebensraum für Rotwild. Wenn man will, dass das Rotwild hier als Kulturgut bleibt, muss man das unterstützen. Dann muss es aber auch Fütterungen geben dürfen“, meldet sich Jagdaufseher Johannes Summer zu Wort. Seiner Meinung nach müsse man bestimmte Gebietsstreifen für das Wild eben opfern, „damit man es von anderen Stellen fernhält. Und dass im Umfeld einer Futterstelle nun mal Schäden entstehen, ist normal“, ergänzt der Waidmann, der mit einigen seiner Kollegen gekommen ist.
Disput vor Ort
Dass sich Waldverein und Jäger nicht unbedingt grün sind, zeigte sich speziell in der jüngeren Vergangenheit. Viele Waidmänner halten die geforderten Wild-Abschusszahlen für viel zu hoch und zweifeln auch an der Kompetenz jener, welche die behördlich festgesetzten Abschusszahlen ermitteln. Der frühere Landesjägermeister Reinhard Metzler geriet nicht zuletzt deswegen ins Kreuzfeuer der Kritik bei den eigenen Leuten.
Für den Bodenkundler und Geschäftsführer des Waldvereins, Walter Fitz (46), ist eine dramatische Reduzierung des Rotwilds im Ladritschtal alternativlos. „Wenn man das nicht macht, dann erodiert dieser Hang. Das hat letztlich auch Folgen für andere Teile des Waldes. Abgesehen davon, gibt es hier auch kein Wild mehr, wenn es keinen Wald mehr gibt.“
Der Damülser Bürgermeister Stefan Bischof ist mittlerweile davon überzeugt, dass der Rotwildbestand in Unterdamüls und damit auch im Ladritschtal viel zu hoch ist. „Der Wald ist dadurch auch wirtschaftlich nicht mehr zu nutzen“, sagt Bischof und will nun mit Grundbesitzern und Nutzern der Eigenpachten reden, um Lösungen herbeizuführen.
Billiger Lawinenschutz
Warum ein gesunder Wald so wichtig ist, hat mehrere Gründe. Walter Fitz: „Ein Wald mit einer guten Mischung an Bäumen ist ein idealer Wasserspeicher und sorgt dafür, dass weniger Wasser in die Täler und daher in die großen Flüsse gelangt. Davon wird zum Beispiel auch Rhesi profitieren. Je tiefer die Baumwurzeln sind, desto größer die Speicher. Während Fichten Flachwurzler sind und nicht so viel Wasser speichern können, gehen die Wurzeln von Tannen, Bergahornen oder Eschen viel tiefer ins Erdreich und können mehr Wasser aufnehmen.“
Dass ein stabiler Wald auch vor Lawinen schützt, versteht sich von selbst. „Ein Wald kommt zu diesem Zweck viel billiger als teure Schutzbauten“, weiß Fitz.
Jäger Summer will sich nicht als Waldgegner hinstellen lassen. „Aber das Wild muss bei uns Platz und Ruhe bekommen dürfen, nachdem es auch schon von Bikern und Paragleitern immer wieder vertrieben wurde.“
Dass vor allem der Tourimus dem Wald viel genommen habe, bekundet ein anderer Exkursionsteilnehmer: „Aber dagegen hatte die Gemeinde nichts.“
Wie Wald ohne Wildverbiss wieder aufkommen kann, wollen die Veranstalter anhand einer umzäunten, vor dem Wild geschützten Fläche beweisen. Tatsächlich wachsen dort verschiedene Bäume und auch Heidelbeeren.
Verschwindet der Wald, gibt es sicher auch kein Wild mehr.
Walter Fitz
