Kritik an der neuen Sozialhilfe hält an

Vorarlberg / 24.05.2017 • 19:12 Uhr

Begutachtungsfrist zur Mindestsicherung abgelaufen. Institutionen bekräftigen Bedenken.

Bregenz. Wenn an den Schrauben der Sozialhilfe gedreht wird, melden sich Kritiker. Wird sie erhöht, ärgern sich die einen. Gibt’s weniger Geld, rufen die andern. In Vorarlberg hat die Landesregierung die Mindestsicherung gekürzt. Dementsprechend fiel die Replik der Sozialinstitutionen aus. Am Mittwoch lief die Begutachtungsfrist für die Mindestsicherungsverordnung aus. Caritas, Armutskonferenz sowie Kinder- und Jugendanwaltschaft erneuerten ihre Kritik, auch der Landesrechnungshof äußerte sich. Er warnt vor Mehraufwand und bezweifelt das ausgewiesene Einsparpotenzial.

Das Mindestsicherungsgesetz wurde bereits beschlossen, die VN berichteten. In Vorarlberg werden mit Gesetzen oft nur die Rahmenbedingungen festgelegt, die Details regelt eine Verordnung. Diese technische Frage wird den Betroffenen egal sein, der Politik ermöglicht dies allerdings mehr Handlungsspielraum. Eine Verordnung muss nicht in den Landtag, sondern kann von der Regierung erlassen werden. Auch bei der Mindestsicherung ist die schwarz-grüne Landeskoalition diesen Weg gegangen. Das bringt noch einen Vorteil: Eine Verordnung muss nicht in Begutachtung. Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne) hat dies dennoch getan. Nun liegen die Stellungnahmen vor. Es sind weniger als beim Gesetz und sie sind inhaltlich sehr ähnlich.

Ungenaue Formulierungen

Die Caritas lobt einige Änderungen, die noch vorgenommen wurden, wie Caritas-Direktor Walter Schmolly erläutert. So zum Beispiel die leichte Anhebung der Höchstsätze beim Wohnbedarf und die zugesagte Evaluierung. Allerdings kritisiert er Formulierungen wie „wenn dadurch der Erfolg der Mindestsicherung besser gewährleistet wird“, „ungerechtfertigte Verweigerung“ oder „Integrationsförderbedarf“. Sie seien zu offen und unklar und erfüllten den Zweck einer Verordnung deshalb nicht. Die Caritas schlägt vier Änderungen vor: Keine Staffelung der Richtsätze für Kinder, verbindliche Kooperation zwischen AMS und Mindestsicherungsstelle, verbindliches Monitoring der neuen Regeln, und: „Die Notlösung für Asylberechtigte im Rahmen einer Notsituation darf nicht verwendet werden, um Sozialstandards für alle weiter aufzuweichen und abzubauen“, sagt Schmolly.

Präzisierungsbedarf

Der Landesrechnungshof setzt mit seiner Kritik woanders an. „Grundsätzlich finden wir alles gut, was hilft, die Kosten des Sozialfonds zu dämpfen“, sagt Rechnungshofsdirektorin Brigitte Eggler-Bargehr. Sie befürchtet allerdings einen Mehraufwand für die Mitarbeiter der Bezirkshauptmannschaften, der weit höher ist, als er in der Verordnung geschätzt wird. Auch eine zweite Schätzung sei ungenau. „Die Einsparungen, die angeführt werden, sind zum Teil nicht nachvollziehbar. Hier sehen wir Präzisierungsbedarf“, bemängelt Eggler-Bargehr. Landesvolksanwalt Florian Bachmayr-Heyda kritisiert mehrere Punkte. Kinder- und Jugendanwalt Michael Rauch stellt sich erneut gegen die Staffelung der Sätze für Kinder. Außerdem spricht er sich gegen die Einberechnung des Familienzuschusses zum Einkommen aus.

Michael Diettrich von der Armutskonferenz bemängelt, dass der Wohnbedarf bei sechs Haushaltsmitgliedern gedeckelt ist. Er empfiehlt, sich an Tirol zu orientieren, das Wohnbedarfssätze darüber hinaus vorsieht. Zur Verordnung sagt er: „Wir halten den Verordnungsentwurf in weiten Teilen für unsystematisch und schlecht nachzuvollziehen.“ Die Adressatin, Landesrätin Wiesflecker, will sich in den kommenden Tagen mit den Stellungnahmen beschäftigen. Am Montag ist ein Gespräch mit der Abteilung geplant, am Dienstag in einer Woche soll die Verordnung in der Regierungssitzung beschlossen werden. Am 1. Juli tritt sie in Kraft.

Die Einsparungen sind zum Teil nicht nachvollziehbar.

Brigitte Eggler-Bargehr

Die Notlösung darf nicht zum allgemeinen Abbau führen.

Walter Schmolly