“Land muss stärker steuern”

Vorarlberg / 08.06.2017 • 19:23 Uhr
Eggler-Bargehr fordert verbindliches Gemeindegesetz. VN/Hofmeister
Eggler-Bargehr fordert verbindliches Gemeindegesetz. VN/Hofmeister

Landesrechnungshof-chefin Eggler-Bargehr fordert Mut in der Raumordnungsnovelle.

Bregenz. Am 1. April 2015 übernahm Brigitte Eggler-Bargehr den Landesrechnungshof. Im VN-Interview zieht sie nach zwei Jahren Bilanz. Generell vermissst sie in der Politik den Mut, für Visionen einzustehen. Im Gemeindegesetz fehle die Verbindlichkeit, in der Raumordnung müsse das Land stärker steuernd eingreifen. „Bei landesweiten Vorgaben erleben wir momentan aber ganz viel Zurückhaltung“, sagt Eggler-Bargehr.

Wie politisch ist Ihr Amt?

Eggler-Bargehr: Wir sind ein unabhängiges Organ des Landtags und berichten unparteiisch und objektiv über Fakten. Wir unterliegen keinen Weisungen. Wir sprechen uns mit der Abteilung Gebarungsprüfung ab, damit wir nicht gleichzeitig in der selben Gemeinde tätig sind. Der Landtag kann uns mit einer Zweidrittelmehrheit mit einer Prüfung beauftragen. Aber unser Programm muss niemand genehmigen.

Hat es Interventionsversuche gegeben?

Eggler-Bargehr: Nicht inhaltlich. Aber wir haben schon erlebt, dass unsere Berichte teilweise vorab rausgegeben wurden. Wir sind da ganz strikt, von uns ist noch nie etwas raus. Ich musste mich gegen solche Wünsche aber schon massiv wehren und muss es immer wieder klarstellen.

Die Bundesrechnungshof-präsidentin forderte kürzlich ein Neuwahlverbot. Würden Sie auch eine solche Aussage tätigen?

Eggler-Bargehr: Das ist eine Gratwanderung. Der Rechnungshof wird eine politische Entscheidung nie als falsch oder richtig darstellen, allerdings deren Konsequenzen aufzeige, also, was sie für den Bürger bedeutet. Dazu würde ich mich sehr wohl äußern. Aber wenn es jetzt um Wahlen geht, ist das nicht meine Aufgabe.

Sie haben bereits einige Gemeinden geprüft. Was ist Ihnen besonders aufgefallen?

Eggler-Bargehr: Formale Aspekte fordern die Gemeinden total heraus. Mehrheitsverhältnisse ändern sich und Bürgerinitiativen werden stärker, weshalb Gemeinden verstärkt mit kritischen Stimmen konfrontiert sind. Deswegen muss alles auch formalrechtlich ordnungsgemäß ablaufen. Außerdem haben wir gemerkt, dass vieles auf regionaler Ebene geschieht. Von den Regios geht viel Dynamik aus. Jetzt müsste man sich halt anschauen, was das für die Struktur, also Land, BH und Gemeinden, bedeutet.

Also Regios statt Bezirkshauptmannschaften?

Eggler-Bargehr: Ob es ein „statt“ sein muss, weiß ich nicht. Aber es ist ja kein Zufall, dass es im Verwaltungsreformprojekt Vorschläge dazu gegeben hat. Leider ist nicht wirklich etwas passiert. Das Thema sollte man angehen.

Wie schwierig Gemeindethemen sind, haben wir beim Gemeindegesetz gesehen.

Eggler-Bargehr: Schade, dass es keine Einigung gibt. Aber warten wir mal ab, was noch passiert. Das Gemeindegesetz ist zu wenig verbindlich. Und die Konsequenzen sind sehr gering, da stehen Maximalstrafen von 700 Euro drinnen. Es geht nicht darum, sofort mit Strafen zu drohen, aber es ist einfach vieles nicht klar geregelt.

Die Bürgermeister fühlen sich unter Generalverdacht gestellt.

Eggler-Bargehr: Wir haben einfach eine Zeit, in der es viele Kritiker gibt. Auch wer integer ist, tut sich mit klaren verbindlichen Spielregeln leichter. Und verbindlich sind sie, wenn es Konsequenzen gibt. Das hat nichts mit Generalverdacht zu tun. Ich hätte mir jedenfalls erwartet, dass mehr über Transparenz und Verbindlichkeit gesprochen wird.

Fehlt die Vision?

Eggler-Bargehr: Ich weiß nicht, ob sie fehlt. Aber man traut sich generell nicht, Visionen in den Vordergrund zu stellen. Denn damit würde man eine Entscheidung treffen und müsste den Mut haben, diese zu äußern. Und das wird momentan nicht getan. Wichtiger scheint es zu sein, es allen recht zu machen.

Nun steht die Novelle der Raumordnung an. Was wäre da die Vision?

Eggler-Bargehr: Wir haben dieses Thema 2005 geprüft und damals aufgezeigt, wie wichtig es wäre, landesweit mehr einzufordern, etwa verbindliche räumliche Entwicklungskonzepte. Es ist dringend notwendig, dass das Land steuernd eingreift. Bei landesweiten Vorgaben erleben wir momentan aber ganz viel Zurückhaltung.

Warum ist das so?

Eggler-Bargehr: Das ist das gleiche Thema wie vorhin. Wenn man etwas steuert, gibt es auch jemanden, der das nicht gut findet. Es bräuchte eben Mut zu Entscheidungen.

Man traut sich nicht, Visionen in den Vordergrund zu stellen.

Brigitte Eggler-Bargehr

Zur Person

Dr. Brigitte Eggler-Bargehr

startete im April 2015 als Direktorin des Landesrechnungshofs.

Geboren: 10. September 1964

Wohnort: Wolfurt

Familie: verheiratet, zwei Kinder