Teilzeit krank, Teilzeit arbeiten

Ab 1. Juli ist es Langzeitkranken möglich, Teilzeit wieder in den Beruf einzusteigen.
Schwarzach. In Österreichs Arbeitswelt galt bisher: Entweder man ist krank, oder man ist gesund. Dazwischen war kein Platz für ein bisschen krank oder eingeschränkt einsatzfähig. Ein Nationalratsbeschluss vom 22. November hat dies geändert: Am 1. Juli wird die Wende Realität. Die Wiedereingliederungszeit tritt in Kraft; eine befristete Teilzeit für Menschen im Langzeitkrankenstand.
Laut Ministerium dürften sich die Kosten in Grenzen halten. Denn: Erarbeiten die Fachabteilungen ein Gesetz, müssen sie eine „wirkungsorientierte Folgeabschätzung“ (WFA) erstellen. Darin schildern sie unter anderem die zu erwartenden Kosten des Gesetzes. In diesem Fall kalkulieren die Verantwortlichen mit rund 200 Arbeitnehmern pro Jahr, die diese Möglichkeit nutzen. Das würde 800.000 Euro kosten. Experten bezweifeln das. Langzeit bedeutet per Definition mindestens sechs Wochen am Stück. Allein in Vorarlberg trifft das auf 4700 Personen zu, erklärt Martin Staudinger, Leiter des Sozialministeriumservice Vorarlberg, auf VN-Anfrage. Auch er glaubt, dass dieses Angebot mehr Menschen in Anspruch nehmen. Allerdings lässt er die Kostenrechnung nicht gelten. Demgegenüber stünden ja Einsparungen. Außerdem: „Bei diesem neuen Gesetz gewinnen alle. Der volkswirtschaftliche Nutzen ist groß.“
Freiwilliges Modell
Für die Abwicklung ist die Stelle „fit2work“ im Sozialministeriumservice zuständig. Dort befindet sich auch jener Arzt, der den Antragsteller untersucht und seinen Antrag genehmigt. Allerdings gibt es auch die Möglichkeit, dies bei einem Betriebsarzt zu tun. Der Antrag darf nur genehmigt werden, wenn keine negativen Auswirkungen auf die Gesundheit zu erwarten sind und absehbar ist, dass nach der Wiedereingliederungszeit der Job wieder Vollzeit ausgeführt werden kann. Der Teilzeit muss ein Wiedereingliederungsplan zugrunde liegen und sie darf höchstens sechs Monate dauern. In Ausnahmefällen kann sie um bis zu drei Monate verlängert werden. Auch eine frühere Rückkehr in den geregelten Arbeitsalltag ist möglich, einen Rechtsanspruch auf Wiedereingliederungszeit gibt es nicht. Arbeitnehmer dürfen allerdings nicht gekündigt werden, weil sie eine Wiedereingliederungszeit anstreben, ausüben oder ablehnen.
Krankenkasse und Arbeitgeber teilen sich den Lohn, der Kassenanteil berechnet sich mit dem sogenannten erhöhten Krankengeld. Dieses beträgt 60 Prozent des Letztbezugs. Verringert ein Arbeitnehmer in der Wiedereinstiegszeit sein Arbeitspensum um die Hälfte, reduziert sich zwar sein Gehalt dementsprechend, allerdings erhält er 50 Prozent des Krankengeldes dazu. Ein Beispiel: Ein Arbeiter erhält 2000 Euro im Monat. In der Wiedereingliederungszeit arbeitet er 50 Prozent und bekommt 1000 Euro. Die Krankenkasse steuert 600 Euro bei; macht zusammen 1600 Euro im Monat. Ändern sich Bedingungen oder Ausmaß des Arbeitsverhältnisses während der Wiedereingliederungszeit, darf die Vereinbarung zweimal geändert werden.
Nicht nur Staudinger dürfte von diesem Modell begeistert sein. Der Vorarlberger Landtag beschloss vor über einem Jahr, einen Pilotversuch zum Teilzeitkrankenstand zu starten. Das ist mit der Wiedereingliederungszeit wohl hinfällig. Auch Arbeiterkammer und Krankenkasse forderten die Möglichkeit der betrieblichen Wiedereingliederung. Allerdings immer unter der Prämisse, dass es für Langzeitkrankenstände gilt und dem Ziel der vollständigen Jobrückkehr dient. Dies ist ab 1. Juli der Fall.
Bei diesem Wiedereingliederungsmodell gewinnen alle.
Martin Staudinger




Stichwort. Wiedereingliederungszeit
Die Wiedereingliederungszeit steht Menschen zu, die mindestens sechs Wochen im Krankenstand sind. In dieser Zeit teilen sich Krankenkasse und Arbeitgeber die Lohnkosten, nach spätestens sechs Monaten läuft dieser Teilzeitkrankenstand aus. Für die Abwicklung ist „fit2work“ im Sozialministeriumservice zuständig.
Ein Rechenbeispiel: Ein Arbeiter erhält 2000 Euro. Er kommt in den Krankenstand und beginnt die Wiedereingliederungszeit, in der er 50 Prozent arbeitet. Sein Arbeitgeber zahlt ihm die Hälfte, also 1000 Euro. Von der Differenz übernimmt die Krankenkasse 60 Prozent, also 600 Euro. Macht gesamt 1600 Euro im Monat.