Wahlbeisitzer
Das ehrenamtliche Engagement in unserer Gesellschaft nimmt deutlich ab. Wer in Vereinen tätig ist, weiß, dass es zunehmend schwieriger wird, Mitglieder zu gewinnen und unter ihnen Leute zu finden, die auch bereit sind, im Verein aktiv mitzuarbeiten. Dieses Phänomen wurde in der Öffentlichkeit bisher wenig ernst genommen. Dabei tun sich bereits manche Feuerwehren schwer, geeigneten Nachwuchs zu rekrutieren.
Ehrenamtlich sind auch die Wahlbeisitzer tätig. In einem Land, in dem es zum Glück viele Wahlen gibt, werden sie benötigt, um die Korrektheit der Wahlvorgänge zu überwachen. Sie erhalten im besten Fall eine kleine finanzielle Entschädigung für die geopferte Zeit. Die Beisitzer werden nach dem derzeitigen Recht von den verschiedenen Parteien vorgeschlagen, wobei es immer schwerer fällt, die vom Gesetz geforderte Zahl von Wahlbeisitzern zu erreichen.
Dadurch steigt aber auch die Gefahr von Gesetzwidrigkeiten im Wahlvorgang und damit auch von Wahlanfechtungen. Deshalb haben unlängst zwei Universitätsprofessoren vorgeschlagen, die ehrenamtlichen Wahlbeisitzer durch speziell geschulte öffentliche Bedienstete zu ersetzen. Auch eine internationale Organisation hat schon vor Jahren den Austausch der von den Parteien vorgeschlagenen Wahlbeisitzer durch Staatsbedienstete empfohlen. Diese Verstaatlichung des Ehrenamtes würde den Staat teuer kommen: Man stelle sich vor, wie viele gut bezahlte Überstunden für Staatspersonal aufgewendet werden müssten, um die Tätigkeit der ehrenamtlichen Wahlbeisitzer zu kompensieren.
Der Verfassungsgerichtshof hatte die Wiederholung der Bundespräsidentenwahl nicht wegen der Fehler ehrenamtlicher Wahlbeisitzer angeordnet, sondern primär deshalb, weil ausgerechnet Juristen als Vorsitzende der Kommissonen das Wahlgesetz gebrochen hatten.
Ich habe das bisherige System, bei dem sich die von den Parteien vorgeschlagenen Wahlbeisitzer gegenseitig auf die Finger schauen, als recht vorteilhaft empfunden. Es könnte aber sein, dass uns wegen der fehlenden Bereitschaft der Bürger, ihren Sonntag zu opfern, ohnehin nichts anderes übrig bleibt, als bezahlte öffentliche Bedienstete in die Wahlkommissionen zu entsenden.
Dieser Trend muss für Politik und Gesellschaft ein Warnsignal sein. Wenn das ehrenamtliche Engagement auch in anderen Bereichen, insbesondere im Sozialwesen, wegbricht, ergeben sich für die Staatsfinanzen dramatische Folgen.
Die Beisitzer werden nach dem derzeitigen Recht von den verschiedenen Parteien vorgeschlagen.
peter.bussjaeger@vn.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus
und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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