„Auch Schüler werden befragt“

Heiko Richter ist seit zwei Wochen an der PH Vorarlberg tätig.
Richter sieht die Schülervielfalt in Vorarlberg als Herausforderung und Chance.
Feldkirch Seit gut zwei Wochen ist der Schwabe Heiko Richter als für die Lehre und die Unterrichtsforschung zuständiger neuer Vizerektor an der PH Vorarlberg tätig. Richter äußert sich zur großen Schülerumfrage und zu seinen Herausforderungen.
Ein Viertel aller Schüler gaben bei einer großen Umfrage an, ihre Lehrer seien den ihnen zugedachten Aufgaben kaum oder gar nicht gewachsen. Was sagt Ihnen das?
Richter Andersherum betrachtet haben 74 Prozent der Schüler den Eindruck, dass die Lehrer didaktisch und pädagogisch gut ausgebildet sind. Grundsätzlich finde ich das auch eine schwierige Frage, die ich Schülerinnen und Schülern so nicht stellen würde. Aufschlussreicher wäre es z. B., nach dem Unterrichtsstil und den Formen des Unterrichts zu fragen.
Ein Fünftel aller Schüler erklärte, in der Schule überfordert zu sein. Überrascht Sie das?
Richter Überforderung ist natürlich immer mit großen psychischen Belastungen verbunden. Man muss dies jedoch sehr differenziert sehen: Aus den Studien der Hochschule weiß ich, dass die Anforderung in den Fächern sehr unterschiedlich ist, das hängt vom Fach ab, z.B. Mathematik erleben viele als sehr fordernd; es hängt auch von anderen Faktoren wie dem Geschlecht oder dem sprachlichen Hintergrund ab. Ein großer Schwerpunkt an der Pädagogischen Hochschule sind deshalb die Themen Individualisierung und Differenzierung in der Lehre.
Wie viel von den Anregungen der Schüler fließt in die Ausbildungskriterien für die künftigen Lehrer ein?
Richter Zwischenzeitlich ist es sehr gut erforscht, was wirksamen Unterricht ausmacht, der Lernen fördert. Natürlich werden auch Erfahrungen von Schülern zu berücksichtigen sein. Das tun wir auch, weil wir verschiedene Instrumente des Bildungsmonitorings haben, die auch Rückmeldungen von SchülerInnen berücksichtigen.
Was muss jeder Lehrer, unabhängig vom Schultyp, können?
Richter Lehrer brauchen fachliche Kompetenz und sie brauchen soziale Kompetenz. Im Idealfall ist der Lehrer, die Lehrerin möglichst vielen SchülerInnen ein Vorbild, er oder sie unterstützt und fördert und hat hohe Erwartungen an alle Kinder. Die PH Vorarlberg hat vor Kurzem ein Rückmeldeinstrument erprobt, bei dem Schüler und Eltern Rückmeldungen zu zentralen Leistungsbereichen von Schule geben.
Wie stark muss man die Lehrerausbildung an regionale Verhältnisse anpassen?
Richter Die Pädagogische Hochschule bildet Lehrpersonen für die Region, für Vorarlberg aus. Natürlich haben wir auch österreichweite Vorgaben, wir sind in den Verbund LehrerInenbildung West eingebunden, aber wir setzen auch deutlich regionale Schwerpunkte, der Unterricht heterogener Lerngruppen etwa ist in Vorarlberg mit seiner vielfältigen Schülerschaft ein großes Thema. Wir versuchen die Lehramtsstudierenden darauf gut vorzubereiten.
Worin sehen Sie in der Lehreraus- und -weiterbildung die größten Herausforderungen der kommenden Jahre?
Richter Wir haben eine zunehmend heterogene Gesellschaft. Heterogen meine ich hier im Sinne unterschiedlicher Unterstützung aus dem Elternhaus, ungleicher Förderung, teilweise verschiedener Kulturen und auch sprachlicher Hintergründe. Die Chance besteht darin, die Unterschiede als Herausforderung zu erkennen, sie weitgehend auszugleichen und gleichzeitig als Bereicherung zu sehen Das stellt die Gesellschaft, die Schule und die Lehrerbildung vor große Herausforderungen.
Eine persönliche Abschlussfrage: Wie gefällt es Ihnen in Vorarlberg, und wie kommen Sie mit der hiesigen Mentalität zurecht?
Richter Vorarlberg ist mir nicht neu. Ich pflege seit einigen Jahren sehr gute Freundschaften in der Region. Die Vorarlberger haben es mir mit ihrer Herzlichkeit dabei immer sehr leicht gemacht, mich hier zu Hause zu fühlen.

Zur Person
Dr. Heiko Richter
Richter ist 45 Jahre alt und gebürtiger Schwabe. Er studierte Germanistik, Theologie, Romanistik und Erziehungswissenschaften. Er arbeitete zuletzt für die Universität Heidelberg, war dort als Dezernatsleiter für internationale Angelegenheiten zuständig. In dieser Funktion war er unter anderem schon in Malaysia tätig.