Eine Kampagne
ÖVP und FPÖ wollen, wie von den Koalitionsverhandlungen zu hören ist, eine Stärkung der direkten Demokratie. Ein Volksbegehren soll in Zukunft nicht mehr länger im Nationalrat verstauben, sondern zu einer bindenden Volksabstimmung führen, wenn ein bestimmter Anteil der Stimmberechtigten die Initiative unterstützt. Unterschiede zwischen den beiden Parteien bestanden zuletzt noch darüber, wie hoch die Unterstützung sein muss, um eine Volksabstimmung zu bewirken: Die FPÖ wollte ursprünglich die Abstimmung bereits dann, wenn das Begehren von 4 Prozent der Stimmberechtigten getragen wird, die ÖVP erst ab 10 Prozent. Die ÖVP möchte zudem, dass der Verfassungsgerichtshof die Zulässigkeit eines Begehrens prüft und es bestimmte Themen geben sollte, worüber nicht abgestimmt werden darf, wie zum Beispiel die Europäische Menschenrechtskonvention.
Diese Divergenzen stellen sicherlich keine unüberwindbaren Hürden dar. Das größere Problem wird wohl darin bestehen, im Parlament Partner für die erforderliche Verfassungsänderung zu finden. Dies vor allem deshalb, weil in den letzten Wochen vor allem von Altpolitikern geradezu eine Kampagne gegen die direkte Demokratie geführt und das Schreckgespenst einer „Entmachtung des Parlaments“ an die Wand gemalt wurde. Das entbehrt übrigens nicht einer gewissen Skurrilität: Denn um das Parlament „sorgen“ sich häufig genau solche Personen, die überhaupt nichts dagegen hätten, die Landtage als Länderparlamente abzuschaffen oder zumindest ihrer letzten Kompetenzen zu berauben.
Manche Kommentatoren sind auch der Meinung, es gebe in Österreich keine direktdemokratische Tradition. Das mag sein. Warum aber sollten die Österreicherinnen und Österreicher nicht in der Lage sein, politische Entscheidungen zu treffen? Das Volk ist den Parlamentariern gut genug, um sich von ihm wählen zu lassen. Der EU-Beitritt wurde übrigens auch in die Hand des Volkes gelegt, weshalb sollte es dann nicht auch minderwichtige Entscheidungen treffen können?
Die Öffnung des österreichischen politischen Systems für mehr direkte Demokratie wäre auch eine Chance, es besser zu machen als die Schweiz: Dort gibt es nämlich kein Verfassungsgericht, das menschenrechtswidrigen Initiativen Schranken setzt. Schade, dass in der Kampagne gegen direkte Demokratie solche Argumente nicht zählen.
Eine Nagelprobe für mehr direkte Demokratie könnte das angekündigte Volksbegehren gegen die von den Regierungsverhandlern beabsichtigte Abschaffung des ursprünglich für Mai 2018 vorgesehenen Rauchverbots sein. Wahrscheinlich würde eine Volksabstimmung wie vor ein paar Jahren in Bayern die Raucher aus den Lokalen vertreiben.
„Das Volk ist den Parlamentariern gut genug, um sich von ihm wählen zu lassen.“
Peter Bussjäger
peter.bussjaeger@vn.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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