Schwierige Baustellen
Manche Kritiker der neuen Bundesregierung haben ihr Herz für den Föderalismus entdeckt und bemängeln die zentralistische Ausrichtung ihres Programms. Tatsächlich sind die Vorhaben im Bereich der Verwaltungsreform jedoch in den meisten Fällen eher unbestimmt und unterscheiden sich wenig von den Ankündigungen vorangegangener Regierungen. Wenn davon die Rede ist, dass die Aufgaben zwischen Bund und Ländern klar verteilt werden sollen, wird diesem Vorhaben niemand ernsthaft widersprechen wollen. Die wirklich spannende und noch unbeantwortete Frage ist jedoch: Zu dir oder zu mir?
Positiv ist, dass sich die Bundesregierung zum Subsidiaritätsprinzip bekennt. Aufgaben sollen also nur dann von der übergeordneten Ebene wahrgenommen werden, wenn sie von Ländern oder Gemeinden nicht hinreichend erfüllt werden können. Leider sind den Redaktoren des Regierungsprogramms fast nur Aufgaben eingefallen, die zentralisiert werden können: Vom Jugendschutz über die Mindestsicherung, das Energierecht bis hin zu den Gebietskrankenkassen. Selbst einen Bundesminister für Bildung, Universitäten und Kindergärten wird es in Zukunft geben, obwohl Kindergärten eigentlich Landes- und Gemeindesache sind. Es ist eben viel leichter, die Angelegenheiten zu nennen, die man gerne auch noch kontrollieren möchte, als jene, die man abgeben könnte.
Widerspruchsfrei ist das 182 Seiten umfassende Programm nicht: Auf Seite 18 will die Bundesregierung, wie auch von den Landeshauptleuten gefordert, die komplizierte Grundsatzgesetzgebung, mit der zum Beispiel im Spitalswesen, in der Energiewirtschaft und der Jugendfürsorge Kompetenzen zwischen Bund und Ländern aufgeteilt werden, abschaffen. 100 Seiten später will sie ausgerechnet für die Mindestsicherung ein neues Grundsatzgesetz erlassen. An anderer Stelle erfährt man, dass der Denkmalschutz in Zukunft von den Bezirkshauptmannschaften behandelt werden soll, ein paar Seiten später soll das Bundesdenkmalamt „neu aufgestellt“ werden. Was gilt jetzt?
Die schwierigste Baustelle wird wohl die geplante Zusammenlegung der 21 Sozialversicherungsträger zu fünf neuen Organisationen sein. Wenn dies zur Folge hat, dass die Gesundheitsversorgung Vorarlbergs von Wien aus gesteuert wird, bedeutet das eine massive Verschlechterung für unser Land. Aber immerhin will die Bundesregierung mit den Ländern über die konkrete Ausgestaltung der Kompetenzen der regionalen Kassen noch verhandeln. Die Hoffnung, dass es zu einem vernünftigen Ergebnis kommt, sollte man nicht aufgeben.
„Die wirklich spannende und noch unbeantwortete Frage ist jedoch: Zu dir oder zu mir?“
Peter Bussjäger
peter.bussjaeger@vn.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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