Wirbel um neue Länderschulden

Wirtschaftsforscher Pitlik sieht keine Rechtfertigung für noch höhere Defizite.
SCHWARZACH. „Länder wollen mehr Schulden machen“, hieß es nach dem jüngsten Treffen der Landesfinanzreferenten in der Steiermark. Das war insofern überraschend, als die Defizite ohnehin schon viel höher sind als es dem alten Stabilitätspakt entsprechen würde. Gesamtstaatlich sollte die Neuverschuldung demnach nicht über vier Prozent des BIP betragen, wie es im kommenden Jahr voraussichtlich der Fall sein wird, sondern 0,45 Prozent; und sollte es sich beim Bund nicht um 16,8, sondern um 1,9 Milliarden Euro sowie bei den Ländern und den Gemeinden nicht um 4,9, sondern um 0,5 Milliarden Euro handeln.
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Wobei die 4,9 Milliarden Euro der Länder und Gemeinden zumindest dem Defizitanteil von rund 22 Prozent entsprechen würden, der im österreichischen Stabilitätspakt aus dem Jahr 2022 für sie vorgesehen war. Die Länderforderung lautet nun jedoch, ihren Anteil im Rahmen eines neuen Paktes deutlich zu erhöhen. Aufgrund der aktuellen Kostenlage müsste er jedenfalls über 30 Prozent liegen, heißt es unter Berufung auf eine WIFO-Studie aus der Steiermark, wo mit Willibald Ehrenhöfer (ÖVP) der derzeit bundesweit vorsitzführende Finanzreferent sitzt.
Beim Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO zeigt man sich verwundert. Experte Hans Pitlik bestätigt jedoch, dass Länder und Gemeinden mit einer hohen Ausgabendynamik konfrontiert seien. Sie würden mit ihren Aufgaben zusammenhängen: Gesundheit bzw. Spitäler, Pflege sowie Bildung und Kinderbetreuung beispielsweise.

Dass die Länder deswegen mehr Schulden machen sollen, kann Pitlik allerdings nicht nachvollziehen. Es gebe nur zwei Argumente dafür, dass der Staat rote Zahlen schreibt: Um in einer Krise gegenzusteuern; oder um Investitionen zu tätigen, von denen auch nachfolgende Generationen profitieren. „Im vorliegenden Fall geht es jedoch um Ausgaben, die vor allem inflationsbegingt und aufgrund steigender Personalkosten von Ländern und Gemeinden stark steigen“, so Pitlik: „Das ist etwas ganz anderes und keine Rechtfertigung für neue Schulden.“
Wenn, dann müsse die Lösung des Länderproblems durch einen neuen Finanzausgleich angegangen werden: „Wir sehen, dass sich das mit dem bestehenden aus dem Jahr 2023 nicht ausgeht. Zumal der Bund selbst ebenfalls zu kämpfen hat, wäre es notwendig, den Ländern endlich signifikante Steuerkompetenzen zu übertragen, damit sie selbst für die Einnahmen sorgen können, die sie brauchen.“ Nachsatz: „Das werden wir aber nicht mehr erleben.“ Tatsächlich geht in der Debatte seit Jahrzehnten nichts weiter.

Was also tun? Bund, Länder und Gemeinden haben zu hohe Defizite, im Übrigen gibt es einnahmenseitig kaum noch einen Spielraum: Die Steuer- und Abgabenquote klettert in den kommenden Jahren auf über 45 Prozent des BIP und damit auf ein so hohes Niveau wie noch nie.
Auf die Frage nach der Option, die bleibt, gibt Pitlik eine unmissverständliche Antwort: „Ganz klar sind neue Sparmaßnahmen notwendig bis 2029.“ Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) scheine zwar „noch immer optimistisch zu sein, dass sich das ohne ausgeht. Das sehen wir aber nicht“, sagt Pitlik für das WIFO: „Die Ziele für heuer und das kommende Jahr können vielleicht erreicht werden, die darüber hinaus werden jedoch verfehlt, wenn nicht nachgeschärft wird.“ Zur Erklärung: Bis 2029 soll das gesamtstaatliche Defizit auf knapp unter drei Prozent sinken. Von 0,45 Prozent wäre es dann zwar noch immer weit entfernt, selbst das scheint jedoch schwer erreichbar zu sein.