Das Ende des freien Wahlwerbers

Vorarlberg / 05.03.2018 • 18:58 Uhr
In den Gemeindestuben ändert sich bald einiges. VN/Schweigkofler
In den Gemeindestuben ändert sich bald einiges. VN/Schweigkofler

Die Begutachtungsfrist zum neuen Gemeindegesetz ist abgelaufen. Zahlreiche kleine Änderungen sind geplant.

Bregenz Bei Gemeindewahlen wird’s zukünftig bunt. Oder zumindest zweifarbig. Zahlreiche Änderungen rund um das Gemeindegesetz haben soeben die Begutachtungsfrist passiert. Auch jene Bestimmung im Gemeindewahlgesetz, wonach die Bürgermeisterwahl und die Gemeindevertretungswahl auf getrennten Stimmzetteln stattfinden. Um das Auszählen zu erleichtern, müssen sie verschieden gefärbt sein. Hierzu gab es zum Gesetzesentwurf nichts zu beanstanden; im Gegensatz zu anderen Themen.

Die Vorgeschichte ist bekannt: Die schwarz-grüne Landesregierung verhandelte lange über eine Reform des Gemeindegesetzes, einigte sich aber nicht. Das Thema wurde aus den Fesseln der Koalition befreit, worauf sich die ÖVP mit der FPÖ auf einige Änderungen verständigte. Nun soll zum Beispiel der gemeindeinterne Instanzenzug fallen. Die Berufungskommission wird aufgelöst, Bürger können ihre Beschwerden zukünftig direkt an das Landesverwaltungsgericht richten. Zumindest sofern sie das Landesgesetz betreffen. Das Land rechnet bei zehn Verfahren pro Jahr mit Zusatzkosten von rund 28.000 Euro jährlich, bei gleichzeitigem Sparvolumen für Gemeinden von 178.000 Euro. Das Verwaltungsgericht ergänzt: „Zehn Verfahren sind deutlich zu niedrig gegriffen.“ Die Einsparungen überstiegen die Ausgaben aber erheblich.

Mit dem Gesetz sollen auch die Rechte der Gemeindevertreter gestärkt werden. Sie erhalten ein Anfragerecht während der Sitzung. Bürgermeister und Gemeindevorstände müssen die Fragen spätestens innerhalb von drei Monaten beantworten. Die Stadt Dornbirn befürchtet, dass sich das Anfragerecht auch auf Stadtratsitzungen bezieht. Der Sinn sei zweifelhaft, schreibt die Stadt in ihrer Stellungnahme. Auch der Gemeindeverband kritisiert diesen Punkt. Dessen Präsident Harald Köhlmeier verhandelte das Gesetz mit. Er schreibt nun: „Die vom Landtag beschlossenen Änderungsvorschläge haben sich nur auf die Gemeindevertretung bezogen.“ Und weiter: „… weshalb ersucht wird, diese Änderungen auf die Gemeindevertretung zu beschränken.“

Kritik aus dem Montafon

Gaschurn, St. Gallenkirch und Lorüns verfassten eine gemeinsame Stellungnahme. Sie ärgern sich über die geplante Fünftagesfrist für Einladungen zur Gemeindevertretungssitzung, sie sei zu lange. Auch die zusätzlichen Rechte und Pflichten für den Prüfungsausschuss sehen sie kritisch. Dieser soll nämlich Unternehmen prüfen, an denen die Gemeinde zumindest mit 50 Prozent beteiligt ist. Für die drei Montafoner Gemeinden steht fest: „Dem Prüfungsausschuss fehlt oftmals das Know-how zur Prüfung dieser Unternehmen. Der Ausschuss wird hier in eine Verantwortung gezogen, die nicht notwendig ist.“ Ebenfalls neu im Prüfungsausschuss ist die Möglichkeit eines Minderheitenberichts, der an den Prüfbericht angehängt wird. „Dieses Recht ist nicht zweckmäßig“, ist das Gemeindetrio überzeugt. Auch in den anderen Ausschüssen wird sich einiges ändern. Sie bleiben zwar nicht öffentlich, sind jedoch nicht mehr geheim. Mitglieder dürfen also über Sitzungen berichten. Gleichzeitig erhalten Fraktionen ohne Ausschusssitz die Möglichkeit, beratend dabei zu sein. Auch die Chance, eine Gemeindevertretung als vertraulich einzustufen, wird minimiert.

Kaum realistische Chancen?

Die Chance für Bürger, ohne Partei in die Gemeindevertretung gewählt zu werden, sinkt ebenfalls. Das Feld des freien Wahlwerbers soll gestrichen werden, und zwar sowohl auf Gemeinde- als auch auf Landesebene. Außer es liegen keine Wahlvorschläge für die Gemeindevertretung vor. Dann besteht nur mehr die Chance, sich als Teil einer Partei der Wahl zu stellen. „Freie Wahlwerber haben kaum eine realistische Chance, in die Gemeindevertretung bzw. in den Landtag einzuziehen“, schreibt das Land. Ein einziger Gemeindevertreter kontert. Gottfried Winkel aus Bezau sieht darin das Ende eines Grundsteins der direkten Demokratie. „In Bezau haben es sowohl im Jahr 2000 (einer) als auch 2010 (zwei) und 2015 (einer) freie Wahlwerber geschafft, in die Gemeindevertretung zu kommen“, teilt er mit.

Papier ist geduldig, aber nicht gratis. Das Land rechnet damit, dass die Gemeinden pro Wahl 26.200 Euro zusätzlich berappen müssen. Pro Stimmzettel zehn Cent.

Auswahl von Änderungen im neuen Gemeinderecht

Gemeindewahlen werden zukünftig auf zwei Stimmzetteln ausgetragen: Bürgermeister und Gemeindevertretung getrennt.

Wahlbeisitzer für Sprengel- und Gemeindewahlbehörden dürfen auch aus anderen Kommunen bestellt werden.

Instanzenzug in der Gemeinde wird abgeschafft, das Landesverwaltungsgericht ersetzt die Berufungskommission.

Befangenheit gilt nun auch bei Änderungen eines Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes. Eine Ausnahme: Falls der Plan bereits auf der Homepage steht. Der Landesrechnungshof kritisiert diese Ausnahme.

Verordnungen müssen auf der Gemeindehomepage zu finden sein, außer sie sind für sechs Monate befristet. Das Argument: Dies würde einen zu großen Aufwand bedeuten.

Ausschüsse sind immer noch nicht öffentlich, allerdings nicht mehr geheim. Zudem erhalten Fraktionen ohne ordentliche Mitglieder eine beratende Stimme.

Prüfungsausschüsse müssen Unternehmen im Gemeindeeinfluss prüfen und Prüfberichte verfassen. Fraktionen können zudem Minderheitenberichte anhängen.

Vizebürgermeister können von der Gemeindevertretung abgewählt werden. Im Gegensatz zu Abstimmungen werden Wahlen in der Gemeindevertretung nicht mehr namentlich abgehalten werden können.