Peter Bußjäger

Kommentar

Peter Bußjäger

Digitalisierung gegen Zentralisierung

Vorarlberg / 24.05.2018 • 18:45 Uhr

Die Bezirkshauptmannschaften feiern in diesen Tagen ihr 150. Jubiläum. Sie wurden im Mai 1868 mit dem Gesetz über die Einrichtung der politischen Verwaltungsbehörden eingerichtet. Sie haben die Monarchie, die Erste Republik und den Untergang im Nazireich überdauert und sind seit 1945 aus der Verwaltung kaum mehr wegzudenken.

Heute fragt jedoch mancher, ob gerade diese Behörde, die Führerscheine, Pässe und Gewerbescheine ausstellt, Verkehrsdelikte verfolgt und für die Sicherheit sorgt, noch eine Zukunft hat. Digitalisierung, so heißt es, werde nicht nur unser tägliches Leben völlig verändern, sondern auch Arbeitsplätze in der Verwaltung überflüssig machen. Wer braucht noch einen Ansprechpartner vor Ort, wenn die Angelegenheit genauso gut elektronisch über eine beliebige Distanz hinweg entschieden werden kann?

Tatsächlich hat die Digitalisierung mittlerweile ein technisches Niveau erreicht, das eine Aufgabenerledigung durch Menschen in einem bisher nicht gekannten Ausmaß überflüssig macht. Die Digitalisierung hat in der Vergangenheit beispielsweise dazu geführt, dass jede Bezirkshauptmannschaft Tausende Strafverfahren mit einem Knopfdruck einleitet, wenn Radarfotos oder andere elektronische Beweismittel vorliegen. In Zukunft werden wohl auch die Rechtfertigungen der Beschuldigten elektronisch verwertet und das Strafmaß vom Computer abgewogen werden. Das ist keine unrealistische Horrorvorstellung: Auch in den Rechtsanwalts- und Steuerberatungskanzleien werden zunehmend juristische Aufgaben digitalisiert und nicht mehr von Menschen erledigt.

Auf der anderen Seite ist es gerade die Digitalisierung, die dafür sorgt, dass beispielsweise Gemeinden ihre Aufgaben weiterhin selbst erledigen können. Wenn immer mehr Routineaufgaben von Computern übernommen werden können, wie zum Beispiel die Ausstellung eines Grundsteuerbescheids, bleibt mehr Zeit für die immer komplexeren Bauverfahren, die ein stets größeres Expertenwissen und Verhandlungsgeschick erfordern, mit denen Computer noch nicht dienen können.

Von der Digitalisierung profitieren auch die Bezirkshauptmannschaften, die sich dadurch spezialisieren können, dass nicht mehr alle Einrichtungen dieselben Aufgaben erfüllen müssen. Auf diese Weise bleiben Standorte erhalten und wird der ländliche Raum nicht noch stärker zugunsten der urbanen Gegenden ausgedünnt. Digitalisierung ist daher auch eine Alternative zur Zentralisierung und zur Fusionierung.

„In Zukunft werden wohl auch die Rechtfertigungen der Beschuldigten elektronisch verwertet und das Strafmaß vom Computer abgewogen werden.“

Peter Bussjäger

peter.bussjaeger@vn.at

Peter Bußjäger ist Direktor des ­Instituts für Föderalismus und ­Universitätsprofessor in Innsbruck.