Ein Verein will zur Union

Die Schweizer Bewegung Nebs macht für einen EU-Beitritt der Schweiz Stimmung.
Kriessern Schweizer sind immer schon einen eigenen Weg gegangen. Vier Amtssprachen, eigene Währung, hoher Grad an direkter Demokratie, selbst die Regierungsform ist unvergleichlich: Der Bundesrat setzt sich aus einer sogenannten Zauberformel zusammen. Einen Regierungschef gibt es nicht. Die Schweiz ist neutral, sie ist nicht einmal Teil der EU. Dies ist ein kleines Dilemma, schließlich liegt der Staat mitten in Europa. Die Wirtschaft macht vor Grenzen längst nicht mehr halt, Kommunikation funktioniert grenzenlos, selbst Arbeiter pendeln problemlos in andere Länder. Alleine aus Vorarlberg fahren jeden Tag rund 7300 Menschen in die Schweiz, um zu arbeiten. Nach Liechtenstein sind es sogar 8500. Für Fredy Lüchinger steht deshalb fest: Die Schweiz muss in die EU. Der Schweizer wirbt für einen Beitritt, und zwar als Vorsitzender der Nebs Ostschweiz; der „Neuen Europäischen Bewegung Schweiz“.
120 Abkommen
Am 6. Dezember 1992 kam es in der Schweiz zu einer folgenschweren Abstimmung. 50,3 Prozent der mitstimmenden Schweizer sagten Nein zu einem Beitritt zum EWR (Europäischer Wirtschaftsraum), womit eine EU-Mitgliedschaft in weite Ferne rückte. Fredy Lüchinger und seine Leute wollen das ändern. „Unser Ziel ist ganz klar der Beitritt der Schweiz als aktives Mitglied.“ Derzeit sei sie eine Art passives Mitglied. „Wir sind eingebunden, dürfen aber nicht mitreden. Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass die Schweiz mit der EU nichts zu tun hat.“ Über 120 Abkommen hätten die Eidgenossen mit der EU geschlossen, Beschlüsse wie die Datenschutzgrundverordnung sind ebenso für die Schweiz relevant
wie das Schengenabkommen, dem sie beigetreten ist.
Fredy Lüchinger kennt das Grenzgängertum aus eigener Erfahrung. Der 53-Jährige wuchs in Kriessern auf und gründete dort ein Unternehmen. Vor einigen Jahren eröffnete der Betriebs- und Wirtschaftstechniker ein zweites Büro in Dornbirn. Mit der Stadt in Berührung kam er über die Musik: Vor fünf Jahren entdeckte Lüchinger das Jazzseminar, mittlerweile ist der Posaunist Teil der dortigen Bigband. Seit drei Jahren wohnt er in Dornbirn. „Die Niederlassungsfreiheit ermöglichte mir den Umzug völlig unkompliziert.“
Kürzlich besuchte der EU-Aktivist mit einer 20-köpfigen Nebs-Delegation das Landhaus in Bregenz, um sich über die Chancen zu informieren, die Vorarlberg in der EU erhalten hat. „Klar hat sich das Exportvolumen vervielfacht. Aber viel wichtiger ist etwas anderes. Mich hat erstaunt, wie früh und wie oft ein Bundesland und eine Region in die Entscheidungsprozesse der EU eingebunden sind“, erzählt Lüchinger. Auch ein Beitritt der Schweiz sei nicht in erster Linie ein wirtschaftliches Thema. „Das ist eine kulturelle, eine gesellschaftspolitische Frage. Die Schweiz ist ein europäisches Land. Wir können Europa helfen, so friedlich zu bleiben, wie es ist. Die Schweiz kann viel beitragen.“
Rund 5000 Mitglieder zählt die Nebs. Dazu gehören einfache Bürger genauso wie Wirtschaftsbosse und Politiker fast aller Parteien, wobei sich die Nebs als überparteilich bezeichnet. Sollte die Schweizerische Volkspartei (SVP) eine Volksabstimmung über die Kündigung der EU-Verträge abhalten wollen, würde sich die Organisation jedoch mit einer Pro-EU-Kampagne an der Abstimmung beteiligen. Die SVP möchte bekanntlich die Personenfreizügigkeit kippen.
Die Schweiz bei der EU, ist das nicht utopisch? „Nein“, sagt Fredy Lüchinger. „Wir werden vielleicht von manchen als Träumer dargestellt. Es ist aber umgekehrt. In der Schweiz gibt es immer noch Leute, die träumen, sie hätten mit der EU nichts zu tun.“
„Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass die Schweiz mit der EU nichts zu tun hat.“

Zur Person
Fredy
Lüchinger
Präsident der Nebs Ostschweiz
Geboren am 24. September 1964
Aufgewachsen in Kriessern
Wohnt jetzt in Dornbirn
Familie verheiratet, zwei Kinder
Beruf selbstständiger Betriebs- und Wirtschaftstechniker in Dornbirn und Kriessern