Darum verkleidet sich Laszlo Lakatos als Silbermann

Inzwischen gehört er zu Bludenz wie die Schokoladefabrik: der Pantomime Laszlo Lakatos.
Bludenz Laszlo Lakatos (39) ist froh, dass der Frühling im Anmarsch ist. Denn so muss er nicht mehr frieren. Der Pantomime aus der Slowakei arbeitet das ganze Jahr über im Freien. Regungslos, wie eine Statue, steht er jeden Tag von 8.30 bis 18 Uhr in der Bludenzer Fußgängerzone. Wegen seiner silbernen Gesichtsbemalung und seines silbernen Kostüms nennen ihn die Bludenzer „Silbermann“.
Wenn ihm ein Passant eine Münze in die Schale wirft, lächelt er warmherzig. Die Menschen spüren, dass sein Lachen vom Herzen kommt und dass er die Menschen liebt. Deshalb ist er so beliebt in Bludenz. Innerhalb einer Stunde bleiben fünf Passanten beim Silbermann stehen und wechseln mit ihm ein paar freundliche Worte. „Brauchst du was, mein Freund?“, fragt ihn eine Frau namens Hannelore. Laszlo verneint lächelnd. Die Bürserin hat Mitleid mit ihm. „Laszlo tut mir so leid. Er muss bei Wind und Wetter da stehen.“ Bevor sie davoneilt, sagt sie noch zu ihm: „Morgen bringe ich dir Bananen mit, die magst du ja so gerne.“ Solche Begegnungen bauen Laszlo auf und lassen ihn bis zum Abend durchhalten.
“Die wenigsten könnten diesen Job machen.”
Silbermann Laszlo Lakatos
Obwohl er auf einem Schemel steht und warm angezogen ist, kriecht die Kälte in seine Knochen. „Das Schlimmste, was ich bisher erlebt habe, waren minus 25 Grad bei Wind“, sagt er. Aber nicht nur eisige Temperaturen machen ihm zu schaffen. Auch die Hitze im Sommer kann mörderisch sein. „Einmal bin ich fast gestorben. Da hatte es 40 Grad im Schatten.“

Es ist eine Arbeit, die ihn oft an seine Grenzen führt. Deshalb ist er überzeugt: „Die wenigsten könnten diesen Job machen.“ Die Kraft zum stundenlangen Stehen, Tag für Tag, bei Wind und Wetter, bekomme er von Gott, sagt er. Dieser habe ihm auch vor acht Jahren die Idee eingegeben, sein Geld auf diese Weise zu verdienen und so seine Frau, seine vier Töchter und seinen Enkelsohn durchzubringen. Zuhause in der Slowakei war Laszlo arbeitslos geworden, nachdem die örtliche Fleischfabrik zugesperrt hatte. „Ich komme aus einer Region, wo 80 Prozent der Menschen keine Arbeit haben.“ Mit den Almosen, die er in Bludenz und in Lindau – dort steht er sonntags – bekommt, kann er seine Familie in der Slowakei ernähren. An einem guten Tag verdient der gläubige Christ bis zu 50 Euro. Aber Laszlo ist auch zufrieden, wenn er weniger einnimmt. „Jeden Abend sage ich zu Gott: ,Ich will nur so viel, wie du mir gibst.‘ Ich bin auch nicht böse auf ihn, wenn ich einmal nicht so viel verdiene.“
Schwerer Abschied von zu Hause
Für sich selber braucht Laszlo nicht viel Geld. Schlafen tut er in seinem 20 Jahre alten Auto. Dort schützen ihn zwei Schlafsäcke und eine Decke vor der ärgsten Kälte. „Wenn mir kalt ist, wache ich auf und lasse für eine Weile den Motor laufen.“ Mehr als zehn Euro am Tag gibt er nicht fürs Essen aus. Der genügsame Mann frühstückt zwei Semmel. Dann isst er bis zum Abend nichts mehr. „Im Zimba-Park gibt es ab 16 Uhr Menüs zum halben Preis“, weiß Laszlo, wie er günstig durchkommt. Untertags trinkt er aus einer Flasche Wasser, nicht viel, damit er nicht zu oft auf die (öffentliche) Toilette gehen muss. Dort schminkt er sich auch jeden Morgen das Gesicht. Abends, nach der Arbeit, kann er bei einem Bekannten duschen. Danach telefoniert er mit seiner Familie. „Ich will wissen, wie es ihnen geht.“ Alle zwei bis drei Wochen fährt der Familienvater nach Hause. 1000 Kilometer trennen ihn von seinen Lieben. Nach zwei Wochen zu Hause fällt der Abschied schwer. „Meine Kinder wollen mich gar nicht mehr gehen lassen. „‘Papa, warum verlässt du uns wieder?‘, fragen sie mich. Dann sage ich ihnen, dass ich Geld verdienen gehen muss.“
Laszlo ist seit Jahren ein schweres Leben beschieden. Dennoch ist er ein zufriedener Mensch. Nie würde man ihn klagen hören. Aber insgeheim träumt er schon von einem besseren Leben. „Für mich wäre es das Schönste, wenn ich in Vorarlberg Arbeit finden würde und meine Familie herholen könnte.“ Der Silbermann, der gut Deutsch spricht und mit einer Lehre und der Matura eigentlich über eine gute Ausbildung verfügt, schwelgt vorübergehend in Träumen. Aber nicht lange. Denn der Himmel über ihm hat sich verfinstert. Auf sein Kostüm sind bereits ein paar Regentropfen gefallen. Laszlo nimmt seinen Schemel und seine Schale und flüchtet unter die Lauben.