Johannes Huber

Kommentar

Johannes Huber

Junge müssen mehr dürfen

Vorarlberg / 23.03.2019 • 12:59 Uhr

Greta Thunberg darf stolz auf sich sein. Die 16-jährige Schwedin hat auch in unseren Breiten Schülerproteste für Klimaschutz ausgelöst. Bei der Kritik, die ihr und ihresgleichen zuteil wird, könnte man meinen, sie sei die mächtigste Person der Welt. Selbst US-Präsident Donald Trump schafft es nicht alle Tage, so viel Widerspruch auszulösen: „Greta, wie schaut es mit dem ökologischen Fußabdruck von euch aus? Lobbyiert ihr gar schon für emissionsarme Atomkraft? Verzichtet ihr eh auf Smartphones und Billigklamotten, die in stinkenden Tankern über die Ozeane geschippert werden?“

Das sagt sehr viel aus: Proteste, die lästig sind, werden als Kampfansage wahrgenommen, die mit aller Härte erwidert werden müssen. Und zwar eben auch dann, wenn sie von einer Jugend ausgehen, die realpolitisch exakt null Einflussmöglichkeiten hat. Ältere – und damit sind hier schon über 30-Jährige gemeint – müssen extrem verunsichert sein, wenn sie sich so leicht aus der Fassung bringen lassen. Das Bildungsministerium, das vom sonst so besonnenen Heinz Faßmann (ÖVP) geführt wird, hat gar einen „Last Minute“-Erlass herausgegeben, dem zu entnehmen ist, dass Kundgebungen in der Unterrichtszeit nicht geduldet werden dürfen. Wo kämen wir denn sonst hin?

„Ältere müssen extrem verunsichert sein, wenn sie sich so leicht aus der Fassung bringen lassen.“

Die Entwicklung ermuntert zu einem dringlichen Appell, bei Jungen nicht weniger, sondern mehr zuzulassen. Was heißt zuzulassen? Sie müssen mehr dürfen. Und wenn sie das nicht ausnutzen, dann sollten sie sogar dazu gedrängt werden. Nicht, dass gar keine Grenzen gesetzt werden müssen. Aber das ist eine ganz andere Geschichte, die die Bereitschaft voraussetzt, notwendige Konflikte auszutragen.

In Schülern und Studenten schlummern unendlich viel Fantasie, Energie und Tatendrang. Innovationen werden zu einem guten Teil von ihnen ausgelöst. Gerade in der Informationstechnologie setzt man daher ganz bewusst darauf, sie möglichst schnell als Mitarbeiter zu gewinnen. Kein Wunder: Ist in den 20ern die Flexibilität noch ebenso groß wie Herausforderungen ihren Reiz haben, wächst schon in den 30ern die Sehnsucht nach Ruhe und möglichst wenig Veränderung.

Klar, jede Batterie ist einmal leer. Der Punkt ist jedoch, dass man in der Wirtschaft eher damit umzugehen weiß als in der Gesellschaft bzw. in der Politik: Parteien wirken nicht zufällig so vorgestrig, sichern sich selbst astronomische Förderungen, Inflationsanpassungen inklusive. Viele sind uralt in einem negativen Sinne; dies auch dann, wenn sie sich als Bewegungen ausgeben: In ihren Reihen dulden sie keine Jugend, die lebendig ist, querdenkt und auch einmal frech ist. Doch genau das hat nun wohl auch Greta Thunberg geholfen, so viele Schüler zu mobilisieren – außerhalb von Parteien und zunehmend unter Abwehr von Vereinnahmungsversuchen, die von Politikern ausgehen, die merken, dass sie etwas falsch gemacht haben.

Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.