Die Identitären auflösen?

Vorarlberg / 05.04.2019 • 12:30 Uhr
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Einen Verein aufzulösen ist keine so einfache Sache. Man merkt es derzeit bei der Diskussion um die Identitären. Diese sind keine kriminelle Vereinigung im Sinne des Strafgesetzbuchs, das hat das Oberlandesgericht Graz im Jänner festgestellt. 17 angeklagte Mitglieder wurden vom Vorwurf der kriminellen Vereinigung und der Verhetzung freigesprochen. Sie hatten unter anderem eine Veranstaltung der Uni Klagenfurt gestört. Das Urteil bedeutet allerdings nicht, dass die Identitären als Verein nicht aufgelöst werden können. Darüber entscheidet nämlich kein Strafrichter, sondern die Vereinsbehörde.

Vereine, die Straftaten organisieren oder in deren Rahmen solche begangen werden, können behördlich eliminiert werden. Im Fall der Identitären wurden zwei Mitglieder im oben erwähnten Verfahren wegen Körperverletzung und Nötigung schuldiggesprochen. Die Frage, die sich nun stellt, ist: Sind diese Verurteilungen den Identitären, konkret dem „Verein zur Erhaltung und Förderung der kulturellen Identität“ zuzurechnen? Die Kriminalität muss nämlich mit dem Verein zusammenhängen und nicht bloß mit einzelnen Mitgliedern. Das ist etwa dann der Fall, wenn jemand einen Kindergartenverein gründet, um Förderbetrug zu begehen, nicht aber, wenn der Chef eines Hasenzüchtervereins betrunken einen Unfall mit Personenschaden baut.

Ob die Identitären eine kriminelle Vereinigung im strafrechtlichen Sinn sind, ist also nicht der springende Punkt. Darunter fallen nur Gruppen, die zum Beispiel „erhebliche Gewalttaten gegen Leib und Leben“ und „nicht nur geringfügige Sachbeschädigungen, Diebstähle oder Betrügereien“ begehen. Schlimmere Verbrechersyndikate bezeichnet das Strafrecht als kriminelle Organisationen. Wer Mitglied einer kriminellen Vereinigung oder Organisation ist, macht sich strafbar. Wer Mitglied in einem Verein ist, der gegen Strafgesetze verstößt, muss aber im Umkehrschluss nicht automatisch selbst straffällig werden. Salopp gesagt reicht es für die Vereinsauflösung, ein bisschen weniger kriminell zu sein als eine kriminelle Vereinigung.

Ausschlaggebend sind nämlich nicht nur Verbrechen und Vergehen, sondern auch Verwaltungsstraftaten. In Niederösterreich wurde zum Beispiel 2008 der Verein „Gelebte Menschlichkeit“ aufgelöst, weil er ohne Genehmigung ein Pflegeheim betrieben hatte. Ein Verein, der seine Mitglieder gegen Parkstrafen oder Schwarzfahren „versichert“, wäre genauso illegal. Ob die Identitären ausreichend kriminell sind, um aufgelöst zu werden, wird die Vereinsbehörde abwägen müssen. Selbst auflösen könnten sie sich natürlich jederzeit, und das wäre wohl auch das Beste.

Moritz Moser stammt aus Feldkirch, lebt und arbeitet als Journalist in Wien. Twitter: @moser_at