Eisenbahnbehördlich
Wie oft begegnet man Unverständnis darüber, dass jedes Land in Österreich seine Bauordnung selbst regelt? Wäre es nicht besser, wenn alles einheitlich wäre? Wie oft wird darüber geklagt, dass die Bürgermeister für Baubewilligungen zuständig sind? Die Gemeinden seien überfordert und mitunter sogar parteiisch. Wäre es nicht besser, eine spezialisierte Behörde würde das erledigen?
„Ein ganz normales Gebäude in Vorarlberg wird also von einer Kommission aus Wien amtsbehandelt.“
Wer das Vergnügen hat, Anrainer eines Objektes zu sein, das eisenbahnbehördlich genehmigt ist, denkt möglicherweise anders: In Bludenz baut die ÖBB eine neue Lehrwerkstätte. Dagegen gibt es grundsätzlich keine Einwände. Die Lehrwerkstätte würde an sich wie alle anderen vergleichbaren Bauwerke einer Bewilligung nach dem Vorarlberger Baugesetz bedürfen, die vom Bürgermeister zu erteilen wäre. Weil es aber eine sogenannte Eisenbahnanlage ist, fällt das Gebäude nicht unter das Vorarlberger Baugesetz, sondern „nur“ unter das Eisenbahngesetz des Bundes.
Wo das Problem ist? Weil keine Baubewilligung notwendig ist, gibt es auch keine richtige Bauverhandlung. Nachbarn werden nicht einmal verständigt, geschweige denn, dass sie mitreden können. Keine Nachbarn, keine Einsprüche, keine Rechtsmittel. So ein Baurecht würde sich mancher Bauwerber wünschen!
Damit nicht genug: Während jeder Private für sein Bauwerk klare Bauzeitenbeschränkungen einzuhalten hat, gilt das nicht für die ÖBB. Das Vorarlberger Baugesetz ist ja nicht anzuwenden und das Eisenbahngesetz kennt so etwas nicht. Also wird bereits knapp nach 6 Uhr morgens fleißig und vor allem lärmend an der Baustelle gearbeitet.
Wer sich übrigens nach möglichen Bauzeitenbeschränkungen erkundigen will, tut sich schwer: Zuständig für das Gebäude ist nämlich keine Behörde im Land, sondern allen Ernstes das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie. Ein ganz normales Gebäude in Vorarlberg wird also von einer Kommission aus Wien amtsbehandelt.
Auf mein Mail, ob die ausführenden Unternehmen zu jeder Tages- und Nachtzeit arbeiten dürfen, habe ich vom Bundesministerium noch keine Auskunft erhalten, aber immerhin eine prompte und freundliche Zwischenerledigung: Man werde sich vor Ort (also in Bludenz) erkundigen.
Wie immer das Ergebnis ausfällt: Ich bin froh, dass für die meisten anderen Bauvorhaben in ganz Österreich höhere und bessere Standards gelten. Mögen auch die Bauvorschriften da und dort unterschiedlich sein: besser uneinheitlich gut als einheitlich schlecht.
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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