Monika Helfer

Kommentar

Monika Helfer

Ihre Augen hatten die Farbe von Coca Cola

Vorarlberg / 27.08.2019 • 20:59 Uhr

Er war vierzig und wurde nicht jünger. Er war verliebt in eine Frau, die nicht die seine war. So oft wie nur möglch wollte er sie sehen. Er hatte einen Feldstecher, den benutzte er, wenn sie auf der oberen Terrasse war. Sie saß auf einem Handtuch und lackierte ihre Zehennägel in einem Rot, das genau gleich war, wie das Rot ihres Bikinis. In die Mitte des großen Zehennagels klebte sie eine Rose, ein winziges Abziehbild. Seine Frau war zum Arzt gegangen. Sie fühlte sich krank, und bald starb sie auch. Er war traurig, weil er jetzt ganz allein war. Die Nachbarin kam und wünschte Beileid, aber sie bot ihm nicht ihre Hilfe an, was er sich erhofft hatte.
Der Herbst kam und der Winter, und immer weniger sah er die Nachbarin. Er wusch sich nicht mehr, hielt den Vorgarten nicht in Ordnung, die Pflanzen vertrockneten, im Winter erfroren sie. Niemand kümmerte sich um ihn. Er war verwahrlost wie sein Haus, und als einmal eine fürsorgliche Frau von der Gemeinde bei ihm anklopfte, schlug es sie zurück, weil es in dem Haus so fürchterlich stank. Der Mann betonte, er brauche sie nicht, er brauche überhaupt keine Menschen.

Der Mann betonte, er brauche sie nicht, er brauche überhaupt keine Menschen.

Er hatte sich eine Schlange gekauft, eine Boa, die er in einem Terrarium hielt, die meiste Zeit aber lag sie bei ihm auf dem Sofa. Der Winter kam, und die Schlange wurde steif, er dachte schon, sie sei erfroren. Er entfachte ein Feuer im Kamin, legte die Schlange davor, und bald bewegte sie sich wieder. Sie wird Hunger haben, dachte er sich und ging in die Zoohandlung, um sich eine Ratte zu kaufen. Er setzte die weiße Ratte in das Terrarium, und die Schlange rührte sich nicht. Als sie sich aber bewegte, rettete sie der Mann. Er vernachlässigte die Schlange, und sie verendete. Die Ratte aber liebte der Mann, sie war so zärtlich. Er dachte, sie wird einsam sein, und ging in die Zoohandlung und kaufte sich gleich zehn Ratten. Der Verkäufer fragte, ob er sich im Klaren sei, wie schnell sich Ratten vermehren. Er besorgte sich reichlich Rattenfutter. Er liebte die Ratten immer weniger, und bald verlor der Mann die Übersicht und fürchtete sich.
Nach einem weiteren halben Jahr rückte die Feuerwehr an, die Nachbarin hatte sie gerufen, und öffnete gewaltsam das Haus. Entsetzlicher Gestank breitete sich aus. Eine Horde von Ratten floh in alle Richtungen.
Der Mann lag auf dem Boden, er war angeknabbert und sah aus, als schliefe er.

Monika Helfer ist Schriftstellerin und lebt in Hohenems.