Warum wählen wir?
Da steh ich nun ich armer Tor und bin so klug als wie zuvor. Leicht möglich, dass Österreich kommenden Sonntag zum selben Ergebnis kommt wie Goethes Faust. Seit Wochen liegt die ÖVP in den Umfragen zwischen 33 bis 35 Prozent, kaum einholbar vor SPÖ und FPÖ und besser als zuvor. Das bedeutet: Die Befürworter des Misstrauensvotums, der Verkürzung der Legislaturperiode um drei Jahre und des Hinauszögerns des Wahltermins durch unnötige Fristsetzungen haben ihr Ziel nicht erreicht. Der dritte im Bund, die Liste Jetzt/Pilz, hat sich gnadenlos ins eigene Knie geschossen und fliegt vor der Zeit aus dem Nationalrat. Harakiri mit Anlauf. Nach dem jüngsten Aktionismus von Pilz (angeblich von der ÖVP vorgetäuschter Hackerangriff – von Justizminister Jabloner widerlegt – oder dem Vorschlag eines Rückkehrverbots für Regierungsmitglieder nach einem Misstrauensvotum) ist der Schaden geschätzt.
„Auch dass einzelne Minister ihr Amt als Selbstbedienungsladen für Gesinnungsfreunde missbrauchen, sollte der Vergangenheit angehören.“
Was lernen wir aus diesem Wahlkampf? Vier Monate sind eindeutig zu lange. Für gegenseitiges Anpatzen und den weitgehenden Verzicht auf thematische Auseinandersetzung reicht auch die Hälfte. Was kann die nächste Regierung von der Experten-Regierung lernen? Zunächst ein unaufgeregteres Agieren sowie den Verzicht auf Selbstdarstellungen und übertriebenes Marketing und das Hochstilisieren von Nebensächlichkeiten zu angeblichen staatstragenden Ereignissen. Ferner: Es geht auch mit zwölf Mitgliedern der Bundesregierung statt vorher 16, also zwei Ministern weniger und ohne die zwei Staatssekretäre, die meistens nur die Aufgabe haben, den andersfarbigen Minister zu „kontrollieren“. Die Regierung Bierlein kommt mit deutlich weniger Personal aus, nämlich mit unter 200 statt der knapp 400 aus der ÖVP-FPÖ-Regierung. Auch dass einzelne Minister ihr Amt als Selbstbedienungsladen für Gesinnungsfreunde missbrauchen, sollte der Vergangenheit angehören. Im Innenministerium von Herbert Kickl wurden exorbitant hohe Monatsgehälter bis zu 13.000 Euro bezahlt. Die gerade bekanntgewordenen 96.000 Kilometer im Dienstwagen für den Exkabinettschef Kickls in nur 17 Monaten passen da gut ins Bild.
Minister übernehmen?
Die Wähler würden einer Expertenregierung a la Bierlein vermutlich den Vorzug geben. Das geht natürlich nicht, weil einer solchen Regierung die demokratische Legitimierung fehlt. Aber warum nicht einzelne Minister, die sich bewähren, übernehmen? Innenminister Peschorn macht bei der Klärung des Ibiza-Videos oder der Reform des Bundesamtes für Verfassungsschutz gute Figur. Kein Empfehlungsschreiben, wenn die FPÖ wieder in die Regierung kommt. Verteidigungsminister Starlinger hat eine vernichtende Bestandsaufnahme der Mängel beim Bundesheer vorgelegt, was keiner seiner roten oder blauen Vorgänger in den letzten 12 Jahren unter tatkräftiger Mithilfe der jeweiligen ÖVP-Finanzminister geschafft hat. Macht ihn vermutlich für die ÖVP suspekt. Doch Starlinger weiß eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung hinter sich.
Was will die Bevölkerung nach dem kommenden Sonntag? Der Bierkönig Gambrinus, der beim Frastanzer Bockbierfest den Politikern die Leviten liest, erhielt jedenfalls tosenden Beifall als er sagte: „Hörand uf stritta und setzand eppas um!“
Wolfgang Burtscher, Journalist und ehemaliger ORF-Landesdirektor, lebt in Feldkirch.
Du hast einen Tipp für die VN Redaktion? Schicke uns jetzt Hinweise und Bilder an redaktion@vn.at.
Kommentar