Kein Lohn für Integration

Vorarlberg / 28.10.2019 • 19:29 Uhr
Nergiz Yavuz suchte alles Nötige zusammen, allerdings umsonst: Eine Staatsbürgerschaft ist derzeit außer Reichweite. VN/Steurer
Nergiz Yavuz suchte alles Nötige zusammen, allerdings umsonst: Eine Staatsbürgerschaft ist derzeit außer Reichweite. VN/Steurer

Die ehemalige Start-Stipendiatin Nergiz Yavuz will Staatsbürgerin werden, darf aber nicht.

Nenzing Am Ende der Integration steht die Staatsbürgerschaft. Wer sich bemüht, die Sprache kann, eine Ausbildung absolviert, soll als Lohn den Pass erhalten. So lautet die Theorie. Doch nicht immer ist das möglich, wie bei Nergiz Yavuz. Die 25-jährige türkische Staatsbürgerin aus Nenzing ist in Vorarlberg geboren, maturierte in Bludenz, schließt im nächsten Semester ihr Lehramtsstudium an der Pädagogischen Hochschule (PH) ab und wollte heuer einen österreichischen Pass beantragen. Man riet ihr davon ab: Derzeit habe sie wohl keine Chance. Das liegt am Gesetz und daran, dass sie sich während ihrer Studienlaufbahn für einen anderen Weg entschieden hat.

Erstes Start-Stipendium

Als kürzlich Vorarlbergs Bildungslandesrätin Barbara Schöbi-Fink vor 180 Gästen die 15 Start-Stipendiaten des elften Jahrgangs begrüßte, betonte sie: „Sie sind Botschafter für gelebte Integration und eine enorme Bereicherung für unsere Gesellschaft.“ Die Initiative fördert engagierte Schüler mit Migrationsgeschichte bis zur Matura. Bei der Start-Stipendiatin von 2009, Nergiz Yavuz, hat es funktioniert. Ihr Vater ist 1989  eingewandert, drei Jahre später folgt ihre Mutter. Yavuz ist das älteste von vier Kindern. Schon in jungen Jahren verbringt sie viel Zeit bei einer Nachbarfamilie. „Ich bin sozusagen zwischen den beiden Kulturen aufgewachsen“, erzählt sie. Nach der Matura geht’s nach Innsbruck. Schnell wird klar: Jus gefällt ihr nicht. Doch sie beißt durch. Nach drei Jahren lässt sie es doch; eine folgenschwere Entscheidung.

Zurück in Vorarlberg, zieht Nergiz Yavuz wieder bei ihren Eltern ein. Sie jobbt am Wochenende in einer Bäckerei, in den Ferien gibt sie an der Volkshochschule Nachhilfe, und sie beginnt ein PH-Studium: Yavuz will Volksschullehrerin werden. Bald ist sie fertig, ab Herbst 2020 möchte sie unterrichten. „Ich dachte mir, wenn ich schon für das Land arbeite, sollte ich auch die österreichische Staatsbürgerschaft haben“, schildert die 25-Jährige. Am Telefon erklärt man ihr, welche Unterlagen sie benötigt. Mit Einkommensteuernachweisen der Eltern (beide sind berufstätig), Meldebestätigung und Co. im Gepäck macht sie sich Anfang Oktober auf ins Landhaus, um Österreicherin zu werden. Doch mehr als eine schlechte Nachricht hatte die Behörde nicht parat. Ein Antrag dürfte vorerst kein Erfolg haben, heißt es.

933 Euro sind Pflicht

In Vorarlberg wurden im Vorjahr 430 Menschen eingebürgert. Wer die Staatsbürgerschaft wechseln möchte, muss einen Test absolvieren und damit Geschichte-, Orts- und Deutschkenntnisse nachweisen, eine bestimmte Zeit lang hier leben und den Lebensunterhalt stemmen. Alleinstehende müssen mindestens 933,06 Euro verdienen. Dauer und Wissen sind bei Nergiz Yavuz kein Problem. Nur weil sie das Studium nicht nach zwei Semestern, sondern nach drei Jahren gewechselt hat, verliert sie ihren Anspruch auf Familienbeihilfe. Also müsste sie 933 Euro verdienen; was sie nicht tut. „Das Gesetz ist hier eindeutig“, bedauert Gernot Längle, Leiter der zuständigen Abteilung im Landhaus, auf VN-Anfrage.

Hätte Yavuz noch während ihres Jus-Studiums angesucht, wäre die Staatsbürgerschaft wohl kein Problem gewesen. Nun muss sie warten, bis ein Antrag Aussicht auf Erfolg hat. Ihr Wunsch: „Ich möchte als österreichische Staatsbürgerin Volksschulkinder unterrichten.“

„Ich dachte, wenn ich für das Land arbeite, sollte ich die Staatsbürgerschaft haben.“