Göttliches in jedem Menschen

Die Bibel steckt voller Rezepte gegen die Vorverurteilung.
Schwarzach „Du meine Güte“, dachte Susanne Marosch und hoffte ziemlich biblisch darauf, dass der Kelch an ihr vorübergehe. „Wir könnten ja auch einfach nur Kaffee trinken“, statt über Sätze reden, die teilweise vor mehr als 2500 Jahren aufgeschrieben worden sind. Dann nahm die Obfrau der Leukämiehilfe „Geben für Leben“ die Texte, die am vierten Adventsonntag in der Kirche gelesen werden, doch zur Hand.
Die Stellen aus dem Alten und dem Neuen Testament erzählen an diesem letzten Sonntag im Advent schon sehr dicht vom bevorstehenden Weihnachtsgeschehen. Der Prophet Jesaja kündigt die Geburt eines Kindes als Zeichen an. Immanuel wird es heißen, Gott mit uns. Gott um ein Zeichen bitten, zu allen Zeiten haben das die Menschen getan. Aber um ein Zeichen zu bitten, heißt zunächst einmal selber ruhig werden, quasi empfangsbereit. Susanne Marosch kennt und braucht das. „Ich bin schon der Typ, der sich immer wieder zurückziehen muss.“ Dann geht sie mit ihrem Hund Happy laufen. Jetzt liegt ihr der Golden Retriever zu Füßen und schaut sie treuherzig an. In einem früheren Leben hat das Tier Jahre in einer engen Wohnung dahinvegetiert und war völlig durch den Wind, als Susanne es dort rausholte. „Viele tanken Energie unter Menschen“, sagt sie und wirkt nachdenklich, „mich macht das müde.“ Sie braucht Ruhe und Natur und allenfalls die einstmals gequälte Kreatur an ihrer Seite.
Erlösung ist auch das zentrale Thema der Weihnacht. Gott wird Mensch. Er macht sich ganz klein. Susanne Marosch fügt an: „Eigentlich hat doch jeder Mensch etwas Göttliches in sich.“ Das ist ein großer Gedanke, zumal für eine ehemalige Kriminalistin. „Aber er hilft mir enorm gegen die Vorverurteilung.“ Marosch war sechs Jahre bei der Gendarmerie für häusliche Gewalt zuständig. „Wenn so ein Kinderschänder vor dir sitzt, kommst du schon an Deine Grenzen.“ Klar muss er bestraft werden. Aber sie hat sich auch bemüht, in ihm trotzdem „den Menschen zu sehen, der selber sein Schicksal hat“. Das rechtfertigt zwar keine Tat. Aber jeder Mensch, „auch wenn er noch so ein A… ist“, hat Menschen, die ihn lieben.“

Den Psalm mit der Nummer 24, der diesmal Lesung und Evangelium im Gottesdienst verbindet, soll König David selber geschrieben haben. Ganz festlich klingt der. Da ist vom Herrn die Rede, dem die Erde gehört mit all ihren Bewohnern. „Da geht’s um die Eigenverantwortung in meinem kleinen Universum.“ Marosch mag den Gedanken. „Ich übernehme gerne Verantwortung.“ Sie hat den kleinen Prinzen noch im Kopf. „Dort steht: Du bist zeitlebens verantwortlich.“ Übrigens auch für sich selber. „Muss ich mich nicht selber lieben, bevor ich andere liebe?“ Da hat sie rasch noch das neue Gebot des Jesus von Nazareth mit hinein verpackt: „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst.“ Sie selber würde sich als sehr harmoniebedürftig beschreiben. Wenn es Susanne Marosch allerdings zu viel wird, „kann ich auch zum Pitbull Terrier werden“. Happy hebt kurz den Kopf, schnuppert, dann legt er sich wieder nieder. Alles gut. Frauchen geht’s prima.
Berufen
In den beiden jüngeren Texten des Neuen Testaments wird Susanne Marosch gleich zweimal fündig. Dass Paulus den Römern unumwunden sagt, mit wem sie es zu tun haben, imponiert ihr sehr. „Es ist unglaublich schön, wenn ein Mensch aus seiner Berufung Kraft schöpft.“ Maroschs Berufung ist „Geben für Leben“. Sie wollte einfach nicht, dass das Lebenswerk ihrer Mama den Bach runter geht. Dass da Menschen an Leukämie sterben und andere sich den Hintern aufreißen, um Geld zu sammeln, während sie nichts tat, das konnte es nicht sein. So blieb es auch nicht. Gegen alle Widerstände hat sie die Vorarlberger Leukämie-Hilfe von Wien abgekoppelt und nach Münchner Vorbild neu strukturiert. Bis heute haben sie und ihr Team 73.000 Typisierungen durchgeführt, „unsere Lebensretterfamilie zählt inzwischen 145 Namen.“
Der letzte Text, das Evangelium nach Matthäus, hat in Susanne Marosch alle Sympathien zum Heiligen Josef wachgerüttelt. „Ich meine, in der damaligen Zeit: Die Frau wird schwanger und ist nicht verheiratet. Josef hatte doch keine Ahnung, von wem das Kind ist. Der muss doch gedacht haben, dass sie fremdgegangen ist. Und dann sagt er: Ich mache sie zu meiner Frau und gehe mit ihr durch dick und dünn. Der Josef muss ein toller Typ gewesen sein.“