Wolfgang Burtscher

Kommentar

Wolfgang Burtscher

Populismus

Vorarlberg / 02.03.2020 • 06:30 Uhr

Populist: Mit diesem Begriff versucht man gerne, den politischen Gegner zu diffamieren. Doch der Begriff ist nicht eindeutig definiert. Eine nicht uninteressante Interpretation hat jetzt der deutsche Star-Kolumnist Heribert Prantl von der „Süddeutschen“ ins Spiel gebracht. Er verweist darauf, dass „Populist“ eng mit dem Wort „populär“ verbunden ist. Jeder gute Politiker müsse auch Populist sein, weil er seine Ideen so vertreten müsse, dass sie verstanden werden und begeistern können. Prantl differenziert strikt gegenüber dem Rechtspopulisten, hinter dem sich Rechtsextremismus verberge, sowie „ein rassistischer Nationalismus, Xenophobie und Verfassungsverachtung“. Klar ist, wen er damit meint: die AfD und vermutlich auch solche, die sich bei der AfD anbiedern wie jüngst Ex-Innenminister Kickl.

„Wir lernen daraus: Es gibt gute und schlechte Populisten. Für Sebastian Kurz müsste man eine dritte Kategorie einführen, den Gelegenheits-Populisten.“

Wir lernen daraus: Es gibt gute und schlechte Populisten. Für Sebastian Kurz müsste man eine dritte Kategorie einführen, den Gelegenheits-Populisten. Im Sinne Prantls kann Kurz seine Botschaften verständlich und begeisternd formulieren, siehe seine Wahlerfolge. Doch Kurz ist auch Populist in dem Sinn „dem Volk nach dem Maul reden“. Aktuell meine ich damit, dass er mit einem Veto gedroht hat, wenn Österreichs Beitrag zu den EU-Finanzen nicht reduziert werde. Dies just am Tag nach dem Brexit, also einem Paradebeispiel für Populismus schlimmer Sorte. Die ÖVP, die sich gern als Europa-Partei bezeichnet, versucht damit, politisches Kleingeld zu wechseln. Weil gerade Beethoven-Jahr ist: „Freunde, nicht solche Töne“ möchte man dem Kanzler aus der Neunten Sinfonie, also der nunmehrigen Europa-Hymne, zurufen. Ich möchte nicht wissen, was einer der Vorkämpfer für Österreichs EU-Beitritt, Martin Purtscher, zu diesen wirklich populistischen Tönen des Kanzlers meint. Das hat Prantl sicher nicht gemeint.

Auch inkonsequent

Kurz agiert hier nicht nur populistisch, er ist auch inkonsequent. Er will mehr Geld zur Bekämpfung der illegalen Migration, aber weniger in den Topf einzahlen, weil das halt beim Wahlvolk so gut ankommt. Er wirbt seit Jahren für eine Art Marshall-Plan für afrikanische Länder, also Hilfe in diesen Ländern selbst anstatt finanzieller Unterstützung der Flüchtlinge in Österreich. Österreichs Ausgaben für Entwicklungshilfe sind aber immer noch höchst bescheiden. Inkonsequent ist auch, dass Kurz mehr EU-Geld für Österreichs Landwirtschaft, aber weniger zum Gesamtbudget beitragen will. Er war auch inkonsequent, als es darum ging, Asyl-Lehrlinge in Mangelberufen nicht abzuschieben. Erst jetzt, wohl unter dem Einfluss der Grünen, dürfen knapp 800 Asylwerber in Lehre, die von der Abschiebung bedroht sind, ihre Ausbildung abschließen. Kurz ist inkonsequent , weil es bei Asylwerbern in Pflegeausbildung keinen Abschiebestopp geben soll, obwohl es in ganz Österreich einen Mangel an Pflegekräften gibt. Kurz und die ÖVP sind auch inkonsequent beim Thema „Eurofighter und Justiz“. Jahrelang haben ÖVP-Finanzminister die Justiz kaputtgespart. Nun wirft Kurz der Staatsanwaltschaft für Wirtschafts- und Korruption Parteilichkeit vor, weil die Verfahren aus Personalmangel nicht so weit gediehen sind, dass es entweder für eine Anklage oder eine belegbare Einstellung der Verfahren reicht. Seinen Angriff auf die Justiz halte ich übrigens für den ersten wirklich schweren taktischen Fehler, der dem jungen Kanzler bis dato unterlaufen ist.

Und zu Europa: Wie war das doch bei Beethoven? „O Freunde, nicht diese Töne! Sondern laßt uns angenehmere anstimmen.“

Wolfgang Burtscher, Journalist und ehemaliger ORF-Landes­direktor, lebt in Feldkirch.