Gerold Riedmann

Kommentar

Gerold Riedmann

Gegen die Explosion

Vorarlberg / 21.03.2020 • 06:59 Uhr

4032 Todesopfer hat das Coronavirus bislang in Italien gefordert, allein gestern starben 627 Menschen. In Österreich sind bislang sechs Todesfälle bekannt. Weil die Infektionskurven etwa zwei Wochen verspätet der italienischen Entwicklung nacheifern, ist die Besorgnis auch in Österreich groß. Denn auch Vorarlberg hat ein veritables Corona-Problem, mit regionalen Unterschieden: der Bezirk Bludenz ist verglichen mit der Einwohnerzahl am stärksten betroffen. Einer von 1000 Menschen ist im Tourismus-Bezirk offiziell infiziert. Im Bezirk Dornbirn ist es „nur” einer von 3706 Menschen.

Vorarlberg ist es gewohnt, sich traditionell selbst an der Spitze zu sehen. Wir stehen auch derzeit an der Spitze: bei den Zuwachsraten. Vorarlberg hat es also bisher nicht geschafft, die Kurve abzuflachen, ganz im Gegenteil: Wir haben die steilste Kurve. Umso wichtiger ist es, diszipliniert zu sein, ganz einfach zuhause zu bleiben. Nicht noch ein Spaziergängle auf die Fluh einzuschieben oder doch noch selbst zum Einkaufen zu gehen, obwohl’s die Tochter auch angeboten hat – sondern wirklich zuhause zu bleiben.

Die kommenden Tage werden ein noch realistischeres Bild zeichnen, wo wir tatsächlich stehen. Denn eine Verzehnfachung der Testkapazität – bis zu 1000 Tests sind täglich möglich – wird zu mehr entdeckten positiven Fällen in Vorarlberg führen. Alles andere als ein stärkerer Anstieg der Infektionskurve wäre eine riesengroße, aber extrem unwahrscheinliche Überraschung.

Jede Krise hat ihre Kommunikatoren. Verantwortliche, die uns warnen, die an uns appellieren, die uns im richtigen Moment Mut machen. Einer, auf den das uneingeschränkt zutrifft, ist Bundeskanzler Sebastian Kurz. Selbst seine bislang härtesten Kritiker attestieren ihm klarste Kommunikation, professionellstes Krisenmanagement. Kurz selbst führt es auf die Warnung eines Freundes zurück, dass er Corona früher als andere politische Verantwortliche in Europa ernst genommen hat: Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu warnte Kurz in zwei Telefongesprächen eindringlich davor, wie alle anderen Europäer das Virus zu unterschätzen. Im wohltuenden Doppelpack mit Gesundheitsminister Rudi Anschober sorgt Kurz für Verständnis für die härtesten Einschränkungen seit über 70 Jahren. Innert Tagen werden die Menschen auf allen Kanälen mit „Schau auf Dich, schau auf mich” von der Bundesregierung sensibilisiert – in zahlreichen Sprachen. Der bayerische Ministerpräsident fährt wie mittlerweile einige europäische Staaten nach dem Sebastian-Kurz-Fahrplan in Krisenbewältigung, hat auf Nachfrage auch Unterlagen aus dem Wiener Bundeskanzleramt erhalten.

In Vorarlberg werden wie in anderen Bundesländern meist die Bundesbotschaften wiedergegeben, aufgefallen ist Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher: Sie ist erst seit fünf Monaten Landesrätin und stellt sich der größten Herausforderung unserer Zeit, als hätte sie niemals etwas anderes gemacht. Sie scheint auf jede Frage eine Antwort zu haben, kommuniziert uneitel und transparent. Mit Kommunikation allein ist die Krise allerdings nicht zu bewältigen.
Sie selbst haben es mit Ihrer Disziplin, zuhause zu bleiben, in der Hand. Wir sind am Ende von Woche 1. Wir brauchen Kraft und Disziplin für viele Wochen.