Ein Zusammenleben, das uns guttut

Vorarlberg / 22.03.2020 • 13:30 Uhr
Ein Zusammenleben, das uns guttut
Pater Martin Werlen soll ab Sommer 2020 die Verantwortung für die Propstei St. Gerold übernehmen.

Gastbeitrag von Pater Martin Werlen vom Kloster Einsiedeln, der ab dem Sommer die Verantwortung für die Propstei St. Gerold übernehmen wird.

St. Gerold, Einsiedeln Das Coronavirus zwingt viele Menschen zu einem ungewohnten Alltag. Dazu gehört das Zusammenleben auf engem Raum – für alle eine große Herausforderung. Wie können wir das auf längere Zeit hin bestehen?

Wichtig ist es, miteinander dem Tag eine Gestalt zu geben. Wenn das nicht geschieht, sind Langeweile, Gehässigkeiten, Ärger und Unzufriedenheit vorprogrammiert. Das haben einige wohl bereits in den vergangenen Tagen mit Schrecken festgestellt. Den Tag abwechslungsreich gestalten – wie könnte das aussehen? Hier ein paar Anregungen, miteinander dem gemeinsamen Tag eine Struktur zu geben, die allen zugute kommt.

Gemeinsame Mahlzeiten

Die Mahlzeiten finden wenn immer möglich gemeinsam statt. Der erste vereinbarte Termin ist das Frühstück, das man miteinander wirklich genießt. Anschließend ist Familienrat oder WG-Rat. Gemeinsam wird die Struktur des bevorstehenden Tages beraten und beschlossen. Ebenso werden die verschiedenen anstehenden Aufgaben und Dienste (bis zum Vorbereiten des Frühstücks am nächsten Morgen) verteilt. Das Zusammensein soll seinen Platz haben, aber auch das Alleinsein. Die Arbeitszeiten finden zur gleichen Zeit an verschiedenen Orten in der Wohnung statt. In diesen Zeiten stört niemand eine andere Person. Die Arbeitsatmosphäre im ganzen Haus trägt viel bei zu einer guten Arbeitsdisziplin. 45-minütige Arbeitseinheiten haben sich bewährt. Die Arbeitszeit kann vieles enthalten: Handarbeit, Arbeit im Haushalt, Lektüre, Musik machen oder hören, Arbeit am Computer. Selbstverständlich muss dies in Haushalten mit Kindern dementsprechend gestaltet werden. Dann gibt es eine fünf- bis zehnminütige Abwechslung für alle. Dafür kann man sich in der Küche zum z’Nüni oder am Nachmittag zum z’Vieri treffen – zum Beispiel mit Früchten und Getränken.

Jeder Tag hat auch ein Zeitfenster fürs gemeinsame Spiel, zum gemeinsamen Singen oder Musizieren. Miteinander zur Tagesschau zusammensitzen oder einen Film anschauen weitet den Horizont über die eigenen vier Wände hinaus. Auch die physische Bewegung ist wichtig – nicht zuletzt für einen erholsamen Schlaf. Da ist die Kreativität auf beschränktem Terrain besonders gefordert: Spaziergang im Garten, Liegestütze und vielleicht sogar eine Polonaise durch die Wohnung (bei der Durchführung einfach die Leute in der Wohnung darunter nicht vergessen…).

Gemeinsamer Tagesabschluss

Besonders wertvoll ist ein gemeinsamer Abschluss am Abend: Sich um den Tisch setzen, miteinander austauschen über die Erfahrungen des vergangenen Tages, einander um Vergebung bitten, wo etwas daneben gegangen ist und zum Schluss miteinander ein Gebet sprechen – zum Beispiel das Vaterunser, das Jesus selbst uns anvertraut hat.

Im Kloster haben wir einen genau strukturierten Tag. Dieser Gestaltung verdanken wir eine große Dynamik. Die gemeinsamen Gebetszeiten und die Mahlzeiten sind wie Säulen, die den ganzen Tag tragen. Übrigens: In unserer WG beträgt der Altersunterschied zwischen dem ältesten und dem jüngsten Mitglied 62 Jahre. Fünf Muttersprachen sind vertreten (exkl. Walliserdeutsch). Unsere Tagesordnung gestalten wir seit dem Jahre 934 nach dem Leitbild, das der heilige Benedikt im 6. Jahrhundert niedergeschrieben hat. Das hat sich schon in mancher Krisenzeit bewährt. Das Miteinander gelingt erstaunlich gut.