Peter Bußjäger

Kommentar

Peter Bußjäger

Prüfungsbeschluss

Vorarlberg / 27.03.2020 • 08:29 Uhr

Der Verfassungsgerichtshof erblickt in der Ludescher Volksabstimmung gravierende verfassungsrechtliche Probleme. Er hat einen sogenannten Prüfungsbeschluss gefasst, mit dem er verschiedene Bestimmungen der Landesverfassung, des Gemeindegesetzes und des Landes-Volksabstimmungsgesetzes einer näheren Prüfung unterzieht. Ob diese tatsächlich aufgehoben werden, ist damit noch nicht definitiv entschieden. Das Land hat die Möglichkeit, die angegriffenen Bestimmungen zu verteidigen. Ein gutes Zeichen ist ein Prüfungsbeschluss jedoch nie.

„Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise werden viele Bürger bewegen, investitionswillige Unternehmen positiver zu sehen.“

Der VfGH erblickt das Problem in erster Linie darin, dass das Gemeindevolk einen verbindlichen Beschluss gefasst habe, der von der Gemeindevertretung, dem eigentlich zuständigen Organ, nicht mehr umgestoßen werden könnte. Genau dies war im Vorfeld der Abstimmung und danach bezweifelt worden. Ob der Verfassungsgerichtshof an dieser Meinung festhält, wird sich weisen.
Insgesamt sind die Bedenken des VfGH insoweit bemerkenswert, als die Bundesverfassung in ihrem Artikel 117 die direkte Demokratie auf Gemeindeebene ausdrücklich erlaubt. Sinngemäß erwidert der VfGH jedoch: „Ja, direkte Demokratie ist schon erlaubt, aber vermutlich nicht in dieser Form.“ Wer direkte Demokratie schätzt, kann sich also trösten: Wie auch immer das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ausfallen wird, direkte Demokratie auf Gemeindeebene wird grundsätzlich auch weiterhin zulässig sein. Möglicherweise wird sich der Landesgesetzgeber jedoch etwas einfallen lassen müssen.
Wir werden freilich in den nächsten Monaten noch mit anderen Sorgen beschäftigt sein als dem Prüfungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes. Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise werden viele Bürger bewegen, investitionswillige Unternehmen positiver zu sehen. Das Pendel könnte in die andere Richtung schwingen. Gleichzeitig dürfte allerdings auch die Bedeutung regionaler Wertschöpfung und Selbstversorgung steigen.

Peter Bußjäger ist Direktor des ­Instituts für Föderalismus und ­Universitätsprofessor in Innsbruck.