Unser Präsident
Dem Himmel sie Dank, dass so ein ehrenwerten Präsident unser Land beschützt, dass er es ist und kein anderer!
Jeder, ausgenommen die Zyniker, die in jeder Hand ein Messer finden, war berührt von seiner Ansprache an die Österreicher und alle, die hier leben, am 2. April.
Es war eine Art Segen, wie der des Papstes. Und Menschen sind wir alle, wir unterscheiden uns nicht mehr, wenn wir im Sarg liegen.
„Am Frühstückstisch beteten die Senioren für den Präsidenten.“
Eine Frau aus dem Altersheim sah sich die Rede des Präsidenten an und war so angetan, dass sie ihm ihr Schlafkissen schicken wollte. Die Pflegerin sagte, das sei schlecht möglich, schon wegen der Verpackung, der gute Wille und die guten Wünsche, das zusammen sei genug. Die alte Frau war beruhigt. Am Frühstückstisch beteten die Senioren für den Präsidenten. Er war Gesprächsthema und würde es noch länger sein.
Einer sagte: „Und keinen hat er vergessen, alle hat er gelobt, die Ärzte, die Pfleger, die Guten, dass sie gut bleiben, die Bösen, weil sie brav sind, die Alten, die Kinder!“
„Und vergiss nicht“, sagte eine Frau, „die Frauen an den Supermarktkassen!“
„Ach, wie gern würde ich wieder einmal einkaufen gehen“, sagte eine gebeugte Dame, „ich würde mir Nylonstrümpfe kaufen!“
„Nylonstrümpfe gibt es schon lange nicht mehr“, sagte die Pflegerin.
„Kauf dir doch Strumpfhosen, die sind viel praktischer“, sagte ihre Frau mit violetten Haaren.
„Ich würde mir eine italienische Salami kaufen und eine Flasche vom besten Rotwein“, sagte der Mann, der einmal ein Tischler gewesen war.
„Ich würde mir Pralinen mit Likörfüllung kaufen.“
„Ich würde mir einen Kaschmirpullover kaufen.“
„Mit welchem Geld?“
„Ich hätte Geld.“
„Ich würde mir neue Hausschuhe kaufen.“
„Ich würde mir Himbeermarmelade kaufen. Nein, die würde ich mir selber machen aus frischen Himbeeren“, sagte die violette Dame. „Ich wäre nämlich wieder eine junge Frau, und ich wäre zu Hause, und meine Kinder wären klein und gesund, und mein Mann würde mich küssen, und wir würden im Wald Pilze sammeln, und mein lieber Mann würde daraus ein Pilzgulasch machen.“
„Und würdest du uns dazu einladen?“
„Euch alle würde ich einladen, wir würden an unserem langen Gartentisch sitzen unter den Kastanienbaum, die Abendsonne schickte uns den letzten Schimmer.“
„Es gäbe Fledermäuse in den Bäumen.“
„Meine Kinder würden mit deinen Kindern Fußballspielen.“
„Mädchen spielen nicht Fußball.“
„Doch, inzwischen schon, das war im Fernsehen, eine Mädchenmannschaft.“
„Was ist denn das?“
„Du redest wie ein alter Mensch.“
„Ich bin ja auch ein alter Mensch, und gleich gehe ich meine Runde um den Garten und freue mich schon darauf, wenn ich die Schulkinder sehen kann, die wieder in die Schule gehen, wenn alles vorbei ist.“
„Was meinst du, mit alles vorbei?“
„Corona.“
„Was ist das? Kann man es essen?“
Monika Helfer ist Schriftstellerin und lebt in Hohenems.
Kommentar