Coronaverordnung: Wie man sich gegen Anzeigen wehrt

Sollen Strafen in jedem Fall eingezahlt werden? Der Jurist Felix Karl Vogl (35) sagt Nein und gibt Tipps.
Schwarzach Corona und Recht – ein kritisches Zusammenspiel. Der Schrunser Rechtsanwalt Felix Karl Vogl hat sich unter anderem auf ein Schwerpunktgebiet spezialisiert: Rechtsschutz gegen die öffentliche Hand. In Zeiten der Coronakrise wohl ein besonders gefragtes Tätigkeitsgebiet, denn: „Mit den neuen Gesetzen und Verordnungen zur Eindämmung des SARS-CoV-2-Virus schnellte sofort auch die Zahl der Anzeigen gegen Personen in die Höhe, die gegen die neuen Regeln verstoßen haben sollen. Dabei kam und kommt es leider oft zu völlig überschießendem Behördenhandeln. Es werden Anzeigen gefertigt und neuerdings auch Organstrafverfügungen ausgestellt für Verhaltensweisen, die nach dem Gesetz und den darauf aufbauenden Verordnungen keineswegs strafbar sind“, begründet der Montafoner Jurist.
„Wahndelikt“
Vogl hat sich das „Hauruckgesetz“ der neuen Covid-19-Verordnung, die im Durchschnitt wöchentlich einmal novelliert wird, genau angesehen und kommt zum Schluss: „Bei genauerem Hinsehen entpuppen sich viele sogenannte Verstöße als völlig rechtskonformes Verhalten oder – gerade im Zusammenhang mit dem Coronavirus – als das, was der Jurist ein „Wahndelikt“ nennt: Der Täter (und viele um ihn herum) glauben, er verstoße gegen ein Verbot, das es in Wahrheit aber gar nicht gibt.“
Beispiele
Fall 1: Die VN berichteten unlängst von einem Fall, bei dem ein Autofahrer zu einer Verwaltungsstrafe von 3600 Euro verdonnert wurde, weil er mehrere Insassen im Pkw mitführte. Für Vogl eine bekämpfenswerte Sanktion, denn: „Zunächst erscheint mir die Strafe viel zu hoch. Außerdem ist zumindest zweifelhaft, ob das gemeinsame Fahren in demselben Auto mit haushaltsfremden Personen nach dem Wortlaut der einschlägigen Verordnung bis zum 13. April 2020 wirklich verboten war, und erst seit dem vergangenen Dienstag gilt für Fahrgemeinschaften mit Haushaltsfremden eine ausdrückliche Bestimmung. Auch wer davor „erwischt“ wurde und bestraft wird, hat gute Chancen, sich erfolgreich zu wehren.“

Fall 2: Anzeigen nach zufälligem Treffen mit Bekannten (siehe Faksimile). Für Vogl unverständlich, weil: „In Wien und anderswo wurden Bürger von Polizeibeamten sogar bei der Verwaltungsstrafbehörde angezeigt, weil sie in einem Park allein auf einer Bank saßen – obwohl das Betreten öffentlicher Orte im Freien allein oder mit Haushaltsangehörigen oder mit Haustieren jedenfalls zulässig ist, wenn dabei zu anderen Personen ein Abstand von einem Meter eingehalten wird.“
Fall 3: Mehrere Personen wurden beim gemeinsamen Wandern „erwischt“. Dazu Vogl: „Wer in Coronazeiten allein oder mit einer Person, mit der er im gemeinsamen Haushalt lebt, beim Klettern oder Mountainbiken in freier Wildbahn ‘ertappt’ wird, hat nur deshalb, weil das öffentlich phasenweise als verboten bezeichnet wurde, noch lange nichts Strafbares getan: Es gab und gibt mit Stand 15. April 2020 keine Rechtsvorschrift, die dies verbieten würde.“
Der Rechtsanwalt abschließend: „Wenn in Krisenzeiten Gesetze und Verordnungen, die in die Grundrechte der Bürger massiv eingreifen, überfallsartig erlassen und alle paar Tage geändert werden, braucht es Bürger mit Rückgrat, die sich wehren, wenn obrigkeitliche Übergriffe sich häufen.“
Möglickeiten zur bekämpfung
Sollte im konkreten Falle wirklich gegen ein Verbot verstoßen worden sein, so wird vielen Fällen eine Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit, eine Verwarnung oder eine beträchtliche Strafreduktion in Betracht kommen, die man sich in der Regel aber erst erkämpfen muss. Umso mehr lohnt es sich zu kämpfen, wenn gar kein Verstoß vorliegt.
1) Wer sich wehren will fühlt, darf ein Organmandat keinesfalls bezahlen, weil er sonst kein Rechtsmittel mehr erheben kann.
2) Wird eine Anzeige gefertigt und von der zuständigen Bezirkshauptmannschaft ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet, so kann gegen eine bestrafende Entscheidung Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht erhoben werden. Gegen dessen Entscheidung steht die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof (beide in Wien) offen.
3) Betroffene sollten sich unbedingt anwaltlich beraten (und gegebenenfalls vertreten) lassen, um ihre Rechte optimal zu verteidigen. Wer rechtsschutzversichert ist, hat gute Chancen, für die anwaltliche Vertretung nicht selbst aufkommen zu müssen.
4) Wer keine Versicherung hat und von der Behörde nicht nur falsch, sondern grob oder krass falsch behandelt wird, kann seine Anwaltskosten vom Staat aus dem Titel der Amtshaftung ersetzt bekommen.