Im Nachhinein
Bundeskanzler Sebastian Kurz hat sich mit seiner saloppen Aussage, dass der Verfassungsgerichtshof die Rechtmäßigkeit der einschneidenden Beschränkungen unseres täglichen Lebens erst im Nachhinein prüfen wird können, viel Kritik zugezogen. Von einer Geringschätzung und Missachtung der Verfassung war die Rede.
Die Aussage des Bundeskanzlers erinnert ein bisschen an Niccolo Machiavelli, den berüchtigten Philosophen der Renaissance, der in seinem Werk „Der Fürst“ dem absoluten Herrscher Anleitungen gab, die ihm helfen sollten, an der Macht zu bleiben und diese Macht auszubauen. Machiavelli, den man heute als Politikberater oder „spin doctor“ bezeichnen würde, hätte seinem Fürsten empfohlen, in der Krise zu tun, was er für notwendig hält und sich nicht um die Meinung der Juristen zu kümmern.
„Das Coronavirus wartet nicht auf die Entscheidung eines Verfassungsgerichts.“
Trotzdem ist die Aufregung über die Aussage des Bundeskanzlers unangebracht. Kurz hat nämlich recht: Die Maßnahmen der Bundesregierung waren dringend notwendig und es gibt keine Möglichkeit, ihre Rechtmäßigkeit im Vorhinein zweifelsfrei abzuklären. Das Coronavirus wartet nicht auf die Entscheidung eines Verfassungsgerichts. Die dramatische Entwicklung ließ keine andere Wahl, als jene Regelungen zu erlassen, welche aus der Sicht der Virologen und der Mathematiker die besten Wirkungen erzielen würden.
Im Nachhinein weiß man es immer besser: Die einen oder anderen Verwaltungsstrafen werden wohl aufgehoben, vielleicht auch manche gesetzlichen Bestimmungen oder Verordnungen. Im Großen und Ganzen dürften die wesentlichen Eckpfeiler, die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und der Erwerbstätigkeit, aber bestehen bleiben. Schließlich haben, von wenigen Ausnahmen abgesehen, sämtliche Staaten Europas ganz ähnliche, mitunter sogar schärfere Regelungen erlassen.
Ich gehe davon aus: Kein Gericht wird es wagen, die Berechtigung dieser Maßnahmen in ihrem Kern anzuzweifeln. Vor diesem Hintergrund darf man die Aussagen des Bundeskanzlers auch etwas gelassener sehen.
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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