Eifersucht
„Das gehört doch zu jeder Liebe dazu“, sagte die zarte Frau, die ich als sehr selbstbewusst eingeschätzt hatte. „Ich meine die Eifersucht.“
„In Maßen“, gab ich zurück, „wenn sie nicht ausufert.“
„Und wann ufert sie aus, weiß man das?“
„Wenn man eifrig sucht, wo nichts zu finden ist.“
Die Frau war mit einem freundlichen Mann liiert, und wie mir schien, hatten es die beiden gut. Er sah sie bewundernd an, wenn sie erzählte, sie ihn, wenn er erzählte.
„Was man denkt, ist genauso schlimm, wie was man tut.“
„Ich hatte am Abend Besuch von einem ehemaligen Bekannten“, erzählte sie mir, „völlig harmlos, ein feiner Kerl, er brachte eine Flasche Wein mit und Blumen, wir unterhielten uns über alte Zeiten. Als er gegangen war, ließ ich die zwei gebrauchten Weingläser stehen und die halbvolle Weinflasche, wir hatten gerade ein Glas getrunken, nicht mehr, und ich drapierte den Blumenstrauß davor. Ein verführerisches Arrangement, wie ich fand. Was würde mein Liebster dazu sagen?“
Er sagte nichts. Er hatte es anscheinend gar nicht bemerkt. Oder er hatte es bemerkt, und es war ihm nicht der Rede wert. Der Tag verging, und am Abend hielt sie es nicht mehr aus und fragte ihn: „Hast du die zwei Weingläser, die halbvolle Weinflasche und diesen wunderschönen Blumenstrauß nicht gesehen?“
„Hab ich. Ja, und?“, fragte er. „Willst du mir etwas sagen?“
„Nichts“, sagte sie. „Ich will dir nichts sagen, es gibt nichts zu sagen.“
„Wenn es wichtig wäre“, sagte er „würdest du mir bestimmt davon erzählt haben. Eines nur: Sag hast du Abstand gehalten?“
„So war das“, erzählte sie mir. „Und jetzt bin ich eifersüchtig, ich. Ich bin eifersüchtig, weil er nicht eifersüchtig ist. Ist das schon krankhafte Eifersucht?“
„Vielleicht ein wenig überdreht, aber nicht tragisch“, sagte ich.
Ich erinnerte mich an meine Jugendfreundin. Sie war liebeskrank, jedesmal, konnte nichts essen, konnte nicht schlafen, und als gar nichts zu finden war, wollte sie wissen, was ihr Freund denkt. Was denkst du?, fragte sie ihn hundertmal am Tag. Was man denkt, ist genauso schlimm, wie was man tut. Er machte Schluss. Hielt es nicht mehr aus. Beim nächsten war es gleich. Als der ihr freiwillig und offen alles sagte, was er sich dachte, nämlich nur Liebes, fragte sie ihn, was er in einem Jahr denken wird: Du wirst mich betrügen, ich weiß es, lüge nicht. Er schwor bei seiner Mutter und seinen Schwestern, es nützte nichts. Sie glaubte ihm nicht. Auch er machte Schluss. Sie sagte: Ich wusste es, ich wusste es von Anfang an.
„Und was ist mir ihr heute?“s
Darüber wollte ich lieber nicht sprechen.
Monika Helfer ist Schriftstellerin und lebt in Hohenems.
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