„Lehrermangel dauert sieben bis zehn Jahre“

Vorarlberg / 19.05.2020 • 18:25 Uhr
Gernot Brauchle leitet seit 2014 die PH Vorarlberg.VN/Lerch
Gernot Brauchle leitet seit 2014 die PH Vorarlberg.VN/Lerch

Rund 125 Absolventinnen und Absolventen aus Vorarlberg sollten heuer Lehrermarkt bereichern.

Feldkirch Gernot Brauchle (55), Rektor der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg, erlebt die coronabedingte Sperre der tertiären Bildungsstätte als sehr lehrreich und schließt nicht aus, dass „distance learning“ auch im kommenden Herbst noch angesagt ist. Trotz seiner Meinung nach guter Absolventenzahlen werde der Lehrermangel noch sieben bis zehn Jahre andauern und nicht ohne Konflikte bewältigbar sein.

 

Wie erleben Sie die Zeit ohne physisch anwesende Studenten?

Brauchle Positiv sehe ich die vielen interessanten Erfahrungen im Zusammenhang mit Verbesserungen des distance learnings. Diese werden auch nach Covid 19 bleiben, Teil der Ausbildung und vielleicht auch der Fortbildung sein. Wir wären auch darauf vorbereitet, sollte dieses Studienmodell noch ein weiteres Jahr notwendig sein. Die dafür nötige Verordnung gibt es für dieses Szenario bereits.

 

Was steht für Sie jetzt noch vor der Sommerpause an?

Brauchle Online-Schulungen mit digitalen Tools für Lehrerinnen und Lehrer, Abstimmung und Stellungnahmen zu neuen Gesetzen bzw. Gesetzestexten, welche die Pädagogischen Hochschulen betreffen, Verhandlungen und Abstimmung zum Start des Bachelorstudiums Elementarpädagogik im Herbst 2021, Planungstätigkeiten betreffend der Ausbildung, sowie der Fort- und Weiterbildung im Wintersemester, die Vorbereitung auf den Vorsitz in der Internationalen Bodenseehochschule, den ich ja seit kurzem inne habe. Das sind nur einige meiner Arbeitsfelder bis zum Semesterende.

 

Wie viele Junglehrerinnen und Junglehrer bekommt Vorarlberg heuer von der PH Vorarlberg?

Brauchle Es werden 60 Bachelorstudenten ihren Abschluss für die Primarstufe machen, 30 ihren Masterabschluss. Hinzu kommen 35 Bachelorabschlüsse für die Sekundarstufe. Nicht alle diese Absolventen werden freilich neu als Lehrer in Vorarlberg arbeiten, einige von ihnen haben bereits Lehrtätigkeiten in geringerem Ausmaß ausgeübt.

 

Sind Sie mit dieser Zahl von Absolventinnen und Absolventen zufrieden?

Brauchle Ja, bin ich. Wir hatten einen geringen Dropout. Die Zahl der Absolventinnen und Absolventen ist heuer größer als in den vergangenen Jahren. Das hat aber damit zu tun, dass es in der Primarstufe erstmals Masterabschlüsse gab. Nächstes Jahr gibt es diese auch in der Sekundarstufe.

 

Es herrscht Lehrermangel im Land. Wie ist Ihre Position zu Maßnahmen dagegen, wie zum Beispiel Stundenkürzungen oder administrative Entlastung von Schulen?

Brauchle Es wird keine Maßnahme geben, die ohne Konflikte umgesetzt werden kann. Es wird aber Maßnahmen brauchen, denn der LehrerInnenmangel wird uns noch sieben bis zehn Jahre begleiten.

 

Wie sehr fühlt sich Ihre Einrichtung durch den offensichtlich zunehmenden Lehrermangel unter Druck gesetzt?

Brauchle Da die Ausbildung einer Lehrerin bzw. eines Lehrers fünf bis sechs Jahre dauert, kann die Pädagogische Hochschule Vorarlberg nur wenig zu kurzfristig notwendigen Lösungen betragen. Derzeit können Studierende der PH Stunden an Schulen übernehmen, müssen jedoch auch darauf achten, dass sie dennoch ihr Studium beenden können.

 

Können Sie sich vorstellen, dass PH’s auch Ausbildungen für Verwaltungspersonal an Schulen anbieten?

Brauchle Wenn es gesetzlich möglich ist, ja. Es ist uns ein großes Anliegen, einen bedeutenden Beitrag zur Verbesserung der Situation zu leisten.

 

Wie ist die PH Vorarlberg generell aufgestellt, was das Fächerangebot anbelangt? Gibt es Erweiterungspläne?

Brauchle Ja, es gibt Pläne. Der Bruch der Regierung 2019 sowie die Covid 19-Pandemie hat die Umsetzung jedoch verzögert. Eine konkrete neue Möglichkeit bedeutet die Akkreditierung des Konservatoriums als Privatuniversität. Dann könnten wir Musik als weiteres Fach anbieten. Ab Herbst 2021 rechnen wir mit der Einführung des Bacherlorstudium Elementarpädagogik. Die Vereinbarung ist unterschrieben, die Mittel weitestgehend gesichert, bei der Umsetzung sind wir im Plan.

 

Sie sind neuer Vorsitzender der Intenationalen Bodenseehochschule (IBH). Wie kann Vorarlberg davon profitieren?

Brauchle Vorteile hat Vorarlberg durch das beeindruckende Netzwerk, das die IBH bietet. Das bezieht sich auf gemeinsame Lehreprojekte, grenzüberschreitende Schul- und Unterrichtspraktika sowie die kooperative Forschung. Spezifische Vorteile durch mich als Vorsitzenden sehe ich nicht, würde ich auch nicht nutzen.

„Ich bin mit der Zahl der Absolventen zufrieden. Wir hatten einen geringen Dropout.“