Für einmal nicht einsam: Vom Segen der Corona-Pandemie

Vorarlberg / 03.06.2020 • 15:00 Uhr
Für einmal nicht einsam: Vom Segen der Corona-Pandemie
Für die Katzenliebhaberin Petra ist die Coronakrise nicht nur ein Fluch, sondern auch ein Segen.

Eine einsame, alleinstehende Frau lernte durch die Coronakrise die Herzlichkeit ihrer Nachbarn kennen.

Hohenems Petra (61) weiß, was es heißt, einsam zu sein. „Ich habe 15 Jahre allein gelebt, ohne Kontakt zu Menschen.“ Die kinderlose Frau wurde menschenscheu und traute sich nicht mehr unter Menschen. „Ich konnte nicht mehr in ein Café gehen und nicht mehr mit öffentlichen Bussen fahren.“ Weil sie drei Herzinfarkte und zwei Schlaganfälle erlitten hatte, war sie oft im Spital. Dort blühte sie auf, weil sich das Personal gut um sie kümmerte. „Ich war jedes Mal traurig, wenn ich wieder nach Hause musste.“ Petra lebte damals in einem Mehrparteienhaus in Lustenau. Mit den Hausbewohnern hatte sie keinen Kontakt. „Keiner sprach mit mir. Man hat sich nicht mal gegrüßt.“ Die gebürtige Deutsche erinnert sich nicht gerne an „diese schlimme Zeit“. Aber so viel will sie noch dazu sagen: „Gerettet haben mich damals meine drei Katzen. Ohne sie hätte ich vermutlich nicht überlebt.“

Wandel zum Guten

Ihr Leben wandelte sich zum Guten, als sie im Jänner 2019 nach Hohenems zog, in einen Wohnblock mit neun Parteien. In der kleinen Gartenwohnung fühlte sie sich auf Anhieb zuhause. „Ich habe mich gleich besser gefühlt.“ Das lag auch an den Hausbewohnern. „Sie haben mich freundlich gegrüßt und mit mir geredet. Wenn ich zur Mülltonne ging, kam ich manchmal mit ihnen ins Gespräch.“

Durch Corona lernte sie ihre Nachbarn noch besser kennen. „Das Verhältnis wurde enger. Alle waren jetzt zuhause und hatten Zeit füreinander. Wir sahen uns öfters und sind richtig zusammengewachsen.“ Die Coronakrise hat für Petra deshalb zwei Seiten. Einerseits sieht sie die Pandemie als Menschheitsplage an, die die ganze Welt lahmgelegt hat. Andererseits zeigte ihr die Krise, wie gut sie in ihrem neuen Zuhause sozial eingebettet ist. „Dank Corona durfte ich die große Herzlichkeit meiner Nachbarn kennenlernen. Es gab keinen Tag, an dem mir nicht etwas Nettes getan wurde.“

Der Mindestsicherungsbezieherin geht noch heute das Herz auf, wenn sie an die vielen Nettigkeiten denkt, die ihr zuteil wurden. Die junge Kindergärtnerin, die mit ihrem Mann nebenan wohnt, brachte ihr zum Beispiel einen Teller mit selbstgebackenen Nussherzchen und bot ihr Hilfe an. „Ich bringe dir alles, was du brauchst. Du musst nur bei mir klingeln“, sagte sie zu Petra und setzte dies auch in die Tat um. Sandra geht heute noch für Petra einkaufen. Sandras Mann Simon mähte eigens für Petra ein großes Wildblumenherz in den Rasen, wohl wissend, dass diese blühende Wiesen liebt.

“Mir ist es noch nie so gut gegangen wie jetzt.”

Petra, Mindestsicherungsbezieherin

Der italienische Familienvater, dessen kleiner Sohn manchmal vor Petras Terrasse Fußball spielt, bot ihr bei den Abfallcontainern seine Hilfe an mit den Worten: „Ich habe ein Auto und bin da, wenn du etwas brauchst.“ Seit Corona weiß Petra, dass auch ihre spanische Nachbarin ein großes Herz hat. Die Spanierin brachte ihr laufend Brot. Und nicht nur das. „Sie gab vor, immer zu viel gekocht zu haben und reichte mir warme Mahlzeiten zur Tür herein.“  Auch der Mann aus dem Haus mit dem Swimmingpool beschenkte sie. „Er hat mir eine riesige Packung Katzen-Naschereien gebracht. Seine zwei Kinder mögen meine drei Katzen.“ Verlassen konnte sich Petra auch auf die alte Nachbarin von gegenüber, die ihr regelmäßig Äpfel schenkt. „Martha ist eine unbeschreiblich liebe Frau. Sie kommt jeden Tag an den Zaun und bringt mir Kräuter und Blumen aus ihrem Garten.“ Martha half mit vielem aus, vor allem aber mit Reden.

Nicht zuletzt schreibt es Petra der Coronakrise zu, „dass es mir noch nie so gut gegangen ist wie derzeit.” Jetzt, wo sie wieder mit Menschen in Kontakt steht, möchte sie gerne alt werden, „mindestens 90“. Sie ist froh, dass die Zeiten vorbei sind, als sie vor lauter Einsamkeit sterben wollte.