„Das widerwärtige Luder“. Eine Erfolgsgeschichte?
Frechheit siegt. Die ORF-Pressestunde am Sonntag mit Tirols Landeshauptmann Günther Platter geht in die Geschichte dieses Sprichworts ein. Es sei doch unbestritten, sagt er, dass das Virus nicht in Tirol entstanden sei. Das hat wohl bislang auch noch niemand behauptet.
Tirol und Corona? „Das ist eine Erfolgsgeschichte, die ich mir nicht schlechtreden lasse“, sagt Platter. Der Umgang seines Stellvertreters mit Frauen, die Widerwort geben? Jedenfalls kein Grund für „personelle Konsequenzen“.
„Einstweilen erfindet man sich weiter die Welt, wie sie einem gefällt.“
Einstweilen erfindet man sich weiter die Welt, wie sie einem gefällt. In Ischgl hätte es erst am 7. März den ersten Corona-Fall gegeben, sagt Platter, man habe doch „schnell“ reagiert. Na ja, so ungefähr, denn am 3. März hat eine isländische Reiseleiterin schon ein Hotel über Infektionen informiert und einen Tag später kam die offizielle Meldung Islands an die Tiroler Behörden, dass Ende Februar 14 infizierte Urlauber aus Ischgl zurückgekehrt sind. Und das war nur der Anfang… In der Sitzung des Tiroler Krisenstabs am 5.3. beschwichtigt der Leiter der Landessanitätsdirektion Franz Katzgraber: Die Isländer „wären angeblich positiv getestet worden“. Und man kommuniziert munter, dass die Ansteckungen der Isländer doch wahrscheinlich im Flugzeug passiert seien. Da weiß man schon, dass die Touristen gar nicht im gleichen Flugzeug zurückgeflogen sind. Am 10. März schließt man die Gastronomie in Ischgl und zahlreiche Aprés-Ski-Lokale feiern munter weiter, ohne dass die Polizei einschreitet. Man „beruhigt sich“ damit, dass der Schuldige an dem Desaster ja ein Ausländer ist, ein Deutscher mit norwegischem Namen. Ja natürlich ist da alles ein böser Zufall, es hätte auch Lech oder Schladming treffen können. Nun muss halt der Tiroler Landeshauptmann mit dieser „Erfolgsgeschichte“ prahlen. Muss er?
Die Zahl der bestätigten Corona-Fälle pro Hunderttausend Einwohner hält (Stand Anfang dieser Woche) in Tirol bei 467, in den übrigen Bundesländern (das von der ÖVP gern gescholtene Wien eingeschlossen) bei 163. Inzwischen ist auch bekannt, dass der größte Teil der Infektionen in Österreich, in Deutschland und in Nordeuropa auf das gemeinsame Saufen in Ischgl zurückgeht. Aber das ist noch lange kein Grund, auch nur die geringste Demut zu zeigen. Dabei hat sich die „schnelle“ Reaktion nicht einmal wirtschaftlich gelohnt. Die Arbeitslosigkeit im Land hat sich verdreifacht. Schlimmer als anderswo.
Eine Vertreterin einer Naturschutzorganisation als „widerwärtiges Luder“ zu beschimpfen, das immerhin ist keine „Erfolgsgeschichte“. Das ist in Tirol, wenn es der Chef des Bauernbundes und Landeshauptmannstellvertreter tut, halt nur eine „erste Entgleisung in seinem Leben“. Also schnell zu vergessen.
Hanno Loewy ist Direktor des Jüdischen Museums in Hohenems.
Kommentar