Mohrenkämpfe
„Black Lives Matter“ hat eine alte Diskussion wiederbelebt. Den meisten ist klar, dass das N-Wort für Menschen dunkler Hautfarbe rassistisch ist und im Sprachgebrauch nichts verloren hat. Aber gilt das auch für „Mohr“? Ist das auch diskriminierend? Darüber tobt seit Jahren ein erbitterter Streit. In meiner Jugend gab es den „Sarotti-Mohr“ einer Schoko-Firma. Ich habe den Werbespot noch im Ohr: „Darum singen wir im Chor, vielen Dank Sarotti-Mohr.“ Der Mohr ist längst Geschichte. Die Firma hatte die Rassismus-Vorwürfe satt, hat dem Mohren 2004 eine goldene Hautfarbe verpasst und nennt ihn seither „Magier der Sinne“. Der „Mohr im Hemd“ ist in manchen Restaurants zum „Schokohupf mit Schlag“ umbenannt worden.
„Lindgrens, Beecher-Stowes oder Twains Wortwahl muss man aus der Zeit heraus verstehen.“
Der Debatte täte allgemein – und ich meine ausdrücklich nicht „Black Lives Matter“ – manchmal weniger Aufgeregtheit gut. Astrid Lindgren hat für „Pippi Langstrumpf im Taka-Tuka-Land“ einen Negerkönig geschaffen. Das ist zwar ein Guter, aber der Verlag hat ihn vor zehn Jahren in einen „Südseekönig“ umgetauft. Lindgren selbst hat viele Jahre nach dem Buch gesagt, dass sie den „Negerkönig“ nicht mehr so nennen würde, aber dennoch hat eine schwedische Gemeinde die Bücher mit dem König auf einem Scheiterhaufen verbrannt oder ein Pädagoge einen Kindergarten wegen Verhetzung angezeigt, weil die Kinder ein Pippi-Hörspiel in alter Fassung gehört haben. Welche Auswüchse die Diskussion hat, zeigt auch die Auseinandersetzung über „Onkel Toms Hütte“, eigentlich eine Anklageschrift gegen die Sklaverei. Dennoch ist der weltberühmte Roman von Harriet Beecher-Stowe in Misskredit geraten, weil „Onkel Tom“ ein Unterwürfiger ist, der die Verhältnisse nicht verändern will, sondern sie erduldet. In Mark Twains „Tom Sawyer und Huckleberry Finn“ fällt über 200 Mal das Wort „Nigger“, in neueren Twain-Ausgaben durch „Sklave“ ersetzt. Lindgrens, Beecher-Stowes oder Twains Wortwahl muss man aus der Zeit heraus verstehen. Deshalb sind sie noch lange keine Rassisten, deren Werke man nach ihrem Tod umschreiben oder verbrennen muss.
Jetzt haben die Schweizer seit Wochen eine Diskussion über die allseits beliebten Mohrenköpfe. Die Handelskette Migros nimmt das Produkt der Firma Dubler aus dem Verkauf, ebenso die Schaumküsse ihrer Linie M-Budget, die auf italienisch „Moretti“ heißen, also „braune Buben“. Hoffentlich muss sich jetzt der Schauspieler gleichen Namens – ein Künstlername – nicht einen Rassismus-Vorwurf gefallen lassen. Dubler produziert übrigens pro Jahr zehn Millionen Stück. Seit Migros die Mohrenköpfe aus dem Sortiment genommen hat, müssen die Dubler-Leute Sonderschichten einlegen, weil ein wahrer Run auf das Produkt eingesetzt hat.
Vernichtungsfeldzug
Und nun ist wieder die Mohrenbrauerei zum Zankapfel geworden. Zur Beruhigung der Gemüter: Wikipedia hält zwar fest, dass das Wort „Mohr“ etymologisch auf das griechische „moros“ zurückgeht, also „töricht“, aber auch auf das lateinische „maurus“, das für „schwarz“ oder „dunkel“ steht. Wikipedia hält aber auch fest, dass das Wort seit Jahrzehnten nur noch selten gebraucht wird, und wenn, dann im historischen oder literarischen Zusammenhang. Der Schweizer „Tagesanzeiger“ meint deshalb, dass der Begriff „Mohr“ zwar vielfach schon getilgt sei, der Vernichtungsfeldzug gegen die letzten Überreste sei aber im Gang: „Er richtet sich gegen ein Wort, das aus dem Sprachgebrauch vollkommen verschwunden ist und deshalb im Alltag niemanden mehr kränken kann. Für tapfere Antirassisten eigentlich kein würdiger Gegner.“
Wolfgang Burtscher, Journalist und ehemaliger ORF-Landesdirektor, lebt in Feldkirch.
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