Gantner rechtfertigt Vernichtung von Hunderttausenden Litern Milch

Vorarlberg / 24.06.2020 • 05:30 Uhr
Gantner rechtfertigt Vernichtung von Hunderttausenden Litern Milch
Landwirtschaftslandesrat Christian Gantner verspricht die Suche nach Lösungen, um die Vernichtung von Hunderttausenden Litern Milch zu verhindern. VOL

Der Markt lasse keine Wahl. “Milchvermarkter haben sich hohes Vertrauen aufgebaut”, argumtiert der Agrarlandesrat.

Bregenz Landwirtschaftslandesrat Christian Gantner spricht im vn.at-Interview von einer sehr sensiblen Branche und will die Vorarlberger Landwirtschaft künftig breiter aufgestellt sehen.

Was sagen Sie dazu, dass jährlich Hunderttausende Liter einwandfreier Milch in Vorarlberg vernichtet werden?

Grundsätzlich ist es sehr schade, weil es sich um ein hochwertiges Lebensmittel handelt, das von unseren Bäuerinnen und Bauern mit viel Fleiß und Arbeit produziert wurde. Auf der anderen Seite ist der Lebensmittelbereich eine sehr sensible Branche und die Entscheidung der Milchverarbeiter und -vermarkter ist deshalb zu akzeptieren, aufgrund des Konsumentenwunsches nach kontrollierter Milch aus TBC-freien Tierbeständen die Milchabnahme von TBC-Milchkuhbetrieben einzustellen.

Aber ist es ethisch vertretbar, so viel Milch einfach zu vernichten?

Es ist ethisch natürlich ein Problem. Das räume ich gerne ein. Deswegen müssen wir alles daran setzen, bei dieser nicht abgenommenen Milch eine Alternative zu finden, die zwischen Ins-Regal-Stellen und Wegschütten liegt.

Ist diese enorme Menge vernichteter Milch nur auf die TBC-Situation zurückzuführen?

Nach meinem aktuellen Informationsstand resultiert die derzeitige Problematik einzig daraus, dass in einem Landwirtschaftsbetrieb bei mehreren Tieren TBC festgestellt wurde und die Milchabnahme von diesem Betrieb zur Gänze eingestellt wurde.

Haben Sie Verständnis für die Argumentation der Milchverarbeiter, dass sie einwandfreie Milch von gesperrten Höfen nicht annehmen wollen?

Wie erwähnt, hat der betreffende Milchverarbeiter aufgrund des Konsumentenwunsches nach kontrollierter Milch aus TBC-freien Tierbeständen die Milchabnahme vom TBC-Milchkuhbetrieb eingestellt. Der Lebensmittelmarkt ist sehr sensibel und die Verarbeiter und Vermarkter haben sich durch ihre starken Marken ein hohes Vertrauen aufgebaut. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass die großen Milchabnehmer Genossenschaften sind, die von den Bauern im Land getragen werden.

Müsste man sich in Bezug auf TBC-Sperre von Höfen nicht etwas überlegen?

Wie von Dr. Bernhard Zainer von der amtlichen Lebensmittelkontrolle ausgeführt wurde, kann die Milch von TBC-Milchkuhbetrieben nach Pasteurisierung für den menschlichen Genuss verwendet werden. Die Problematik ergibt sich also nicht durch die TBC-Sperre, sondern durch die herrschenden Marktverhältnisse.

Wie beurteilen Sie die Milchproduktion in Vorarlberg generell? Produzieren wir nicht zu viel Milch?

Die Notwendigkeit einer ausreichenden Versorgungssicherheit mit Hauptnahrungsmitteln wie Milch und Fleisch hat sich gerade zur Zeit der Coronapandemie als sehr wichtig und wertvoll herausgestellt. Es gibt für die Landwirtschaft in vielen Regionen auch kaum Alternativen zur Milchwirtschaft.

Aber die Kühe geben heute viel mehr Milch als früher.

So wie sich die Infrastruktur in der Viehhaltung entwickelt hat, hat sich auch das Vieh selbst entwickelt. Natürlich geben Kühe heute mehr Milch als sie das früher taten. Aber wichtig ist vor allem auch: Den Tieren geht es gut, das Tierwohl ist gewährleistet.

Sie sprechen immer wieder davon, dass die Landwirtschaft insgesamt breiter aufgestellt werden muss. Wie soll das geschehen?

Indem es neue Wege gibt. Dazu zählen zahlreiche innovative Projekte und die teils deutliche Zunahme von Anbauflächen im Gemüse-, Obst- und Getreideanbau bzw. im Anbau von Feldfrüchten. Die Initiative “Landwirt.Schafft.Neues” unterstützt solche Projekte.

Während der jetzt anlaufenden Alpsaison lauert wieder die TBC-Ansteckungsgefahr. Wie gut gerüstet sind Älpler, Alpbesitzer, Jäger und Landwirte?

Es gibt eine klare Vorbeugungs- und Bekämpfungsstrategie des Landes, deren konsequente Einhaltung notwendig ist, um eine weitere Ausbreitung von TBC zu verhindern und gesunde Tier- und Wildbestände zu erhalten. Das betrifft Land- und Alpwirtschaft genauso wie die Jäger.

Wie sehr kann man mit dem bisherigen Landwirtschaftsjahr 2020 zufrieden sein?

Auch das bisherige Bauernjahr hat unter Corona gelitten. Duch die Schließung von Gastronomie- und Tourismusbetrieben gab es Absatzeinbrüche. Jedoch: Das Wetter und die gute Futtergrundlage sowie der verstärkte Wunsch der Konsumentinnen und Konsumenten nach Produkten mit klarer Herkunfts- und Qualitätskennzeichnung lassen grundsätzlich ein gutes Landwirtschaftsjahr erwarten.