Von der Hand in den Mund
Sie fragt, ob ich ihr eine Maske schenke. Die Frau, die jeden Samstag bei mir läutet. Sie trägt drei Taschen bei sich, gefüllt mit Gemüse, das sie gratis bekommen hat. Von der Tochter, die in der Schweiz arbeitet. In einem Migro, wo die weggeworfenen Sachen schöner aussehen als die unseren im Regal. Diesmal sind ihre Bananen beinahe schwarz. Süß, süßer, ideal für Nachspeise.
Hast du Honig?; fragt sie. Honig hat sie keinen. Honig wird nicht weggeworfen. Weil Honig lange nicht kaputt wird. Hast du Butter? Butter hast du. Butter in die Pfanne, darüber die Bananen, darüber den Honig. Es wird wie Bonbon. Kennst du braune Lutschbonbon? Macht glücklich. Bananenschalen kannst du klein schneiden und als Pflanzendünger verwenden. Bitte, gib mir eine Maske, sagt die Frau.
„Sie sollte sich wirklich durch die grauschwarzen Haare fahren, sie sehen verfilzt aus.“
Du brauchst keine Maske mehr im Freien, sage ich.
Es sieht besser aus für die Leute mit Maske, sagt sie. Da sehen sie nur meine Augen. Hast du einen Kamm für mich?
Sie sollte sich wirklich durch die grauschwarzen Haare fahren, sie sehen verfilzt aus. Ihre Fingernägel sind schwarz.
Hast du Schuhe? Sie hebt einen Fuß und zeigt mir eine Schuhsohle. Abgelaufen.
Welche Schuhgröße?, frage ich. Magst du Bergschuhe?, frage ich.
Bergschuhe gehen. Und Socken, bitte nicht aus Wolle. Ich bin empfindlich. Wolle beißt. Gibst du mir eine neue Maske, hast du vielleicht zwei oder drei?
Ich brauche heute kein Gemüse, sage ich. Weißt du, ich fahre weg.
Du fährst gar nicht weg. Du sagst das nur, damit ich nicht komme.
Ich fahre nach Wien, sage ich
Wien war ich schon, sagt sie. Ich habe zwei Flaschen Wein von meinen Mann. Hab ich ihm weggenommen, als er besoffen war. Nein, er schlägt mich nicht, dafür ist er zu schwach. Früher schon. Meine Söhne sind krank. Schlechte Mägen. Kaputte Zähne. Wohnen nicht mehr bei mir. Ihre Frauen sind schlecht. Arbeiten nicht. Enkel sehr schön, nächstes Mal zeige ich dir Foto. Am schönsten ist Mirko. Ist deine Nachbarin gut? Redet sie mit mir?, fragt sie.
Weißt du, sage ich, die ist zu alt, die hört nicht gut, die macht die Tür vor deiner Nase zu. Geh nicht hin, sage ich. Die hat Angst vor Fremden.
Monika Helfer ist Schriftstellerin und lebt in Hohenems.
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