Frage der Perspektive
Ausgerechnet das Ibiza-Video hat den Landesstudios des ORF im Vorjahr eine harte Bewährungsprobe erspart. Der FPÖ war nämlich bis zu diesem Zeitpunkt die Abschaffung der GIS-Gebühren ein zentrales Anliegen, dann kostete der Skandal den Freiheitlichen die Regierungsbeteiligung. Ein ORF, dem ein wesentliches finanzielles Standbein verloren gegangen wäre, hätte sich zu massiven Einsparungen gezwungen gesehen. Nach der Logik des Zentralismus wären die Landesstudios als erste Institutionen davon betroffen gewesen. Die Zentrale spart eben lieber bei den Filialen als im Headquarter.
„Die regionalen Medien sind nicht nur in der Krise bedeutsam. Sie verhindern auch die Entstehung von Kulturwüsten.“
Wie wichtig jedoch regionale Medien sind, zeigt die Corona-Krise. Ohne VN, Neue und die regionalen Sender wäre das Land medial nicht existent. Niemanden würde es interessieren, wie es 390.000 Vorarlbergerinnen und Vorarlbergern geht. Das ist spätestens dann ein Problem, wenn die Menschen von Informationen abgenabelt werden oder niemand ihre Anliegen vertritt.
Von der Existenz des Kleinwalsertales und seinen Schwierigkeiten während der Grenzschließungen erfuhr man aus den in der Bundeshauptstadt angesiedelten Medien erst, nachdem der Bundeskanzler in Mittelberg den Mindestabstand nicht eingehalten hatte. Und die Berichterstattung konzentrierte sich in erster Linie darauf, dass die Veranstaltung offenbar ohne Babyelefanten stattgefunden hatte, weniger auf die realen Probleme der Kleinwalsertaler.
Die regionalen Medien sind nicht nur in der Krise bedeutsam. Sie verhindern auch die Entstehung von Kulturwüsten. Niemandem in der Bundeshauptstadt ist es ein besonderes Anliegen, ob Kultur außerhalb Wiens gedeiht. Wer es nicht glaubt, möge einen Blick in das Kulturbudget des Bundes werfen. Von etwa 457 Millionen verbleiben 350 Millionen von vornherein in Wien. Der Rest fließt in erster Linie in den Denkmalschutz oder die großen Festspiele in Salzburg, Bregenz und Erl.
Föderalismus ist also auch in der Medienlandschaft wichtig. Ohne regionale Medien werden die Menschen in den Ländern vorwiegend aus der Perspektive der Zentrale wahrgenommen – ganz klein und ganz weit weg. Es kann daher gar nicht genug Vielfalt geben, weil nur die Vielfalt vor einseitiger Meinungsmache und kultureller Ausdünnung schützt.
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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